Ursula Seiler-Schopp, Michael Rudolf
Rz. 14
Wie bereits unter Rdn 7 ausgeführt, fallen die sog. Verwirkungsklauseln unter die Regelung des § 2075 BGB. Diese stellen einen wichtigen Anwendungsfall des § 2075 BGB dar.
I. Definition
Rz. 15
Eine Verwirkungsklausel oder auch Strafklausel, kassatorische bzw. privatorische Klausel genannt, liegt dann vor, wenn der Erblasser anordnet, dass derjenige, der gegen seinen Willen handelt, nichts oder nur seinen Pflichtteil erhalten soll. Deren Zulässigkeit ist allgemein anerkannt. Es soll durch die Verfügung solcher Klauseln mittelbar Druck auf den Bedachten ausgeübt werden, den Willen des Erblassers tatsächlich auch zu verwirklichen sowie Streitigkeiten unter den Hinterbliebenen zu vermeiden. Demjenigen, der gegen den letzten Willen vorgeht, wird seitens des Erblassers mit Enterbung gedroht. Des Weiteren ist es Ziel des Erblassers, Streitigkeiten unter den Erben und Vermächtnisnehmern zu vermeiden. Kennzeichen, aber auch ausreichend für die Verwirkungsklauseln ist es, wenn der Bedachte durch einen irgendwie gearteten Angriff gegen die Erblasseranordnungen vorgeht oder diesen zuwiderhandelt. Welches Verhalten des Bedachten dazu führt, dass die Zuwendung entfällt, ist im Wege der Auslegung zu ermitteln und richtet sich demgemäß nach dem Willen des Erblassers.
Dabei ist zwischen allgemeinen und besonderen bzw. speziellen Verwirkungsklauseln zu unterscheiden: Eine allgemeine Verwirkungsklausel setzt nur voraus, dass gegen den Willen des Erblassers vorgegangen wird; eine spezielle Verwirkungsklausel hingegen ordnet genaue Verhaltensregeln an und macht ihre Einhaltung zur Bedingung.
Zu den besonderen Verwirkungsklauseln gehören u.a.
▪ |
das Veräußerungsverbot für bestimmte Nachlassgegenstände, |
▪ |
die Pflichtteilsstrafklauseln, |
▪ |
die Verwirkungsklauseln zur Sicherung des Vollzuges eines Vermächtnisses oder einer Auflage. |
Rz. 16
Nach allg. Ansicht handelt es sich für den Fall, dass der Bedachte im Falle der Zuwiderhandlung der testamentarischen Zuwendung verlustig geht, im Zweifel um eine auflösende Bedingung i.S.d. § 2075 BGB. Es ist aber auch möglich, von einer aufschiebend bedingten Enterbung auszugehen. Ordnet der Erblasser an, dass dem Erben für den Fall, dass er die letztwilligen Verfügungen angreift, sein gesetzliches Erbrecht entzogen werden soll, handelt es sich um eine aufschiebend bedingte Enterbung. Der Bedachte ist in diesem Fall bis zum Bedingungseintritt Vorerbe. Im Übrigen könnte man auch von einer aufschiebend bedingten Pflicht des Erben zur Herausgabe des zugewendeten Gegenstandes an einen Vermächtnisnehmer ausgehen.
II. Auslegung derartiger Klauseln
Rz. 17
Hat der Erblasser unbestimmte Formulierungen wie z.B. "Wer Streit anfängt" gewählt, ist es für den Bedachten schwer zu beurteilen, unter welchen Voraussetzungen er der Zuwendung verlustig geht. Letztlich entscheidet das richterliche Ermessen, wann die Strafklausel eingreift. Daher geht eine Ansicht davon aus, dass solche Klauseln unwirksam sind. Die h.M. jedoch geht richtigerweise von der Wirksamkeit bzw. der hinreichenden Bestimmtheit solch vager Klauseln aus. Dies wird damit begründet, dass nach erbrechtlichen Grundsätzen dem Willen des Erblassers so weit als möglich zum Erfolg verholfen werden soll. Der Wille des Erblassers soll stets im Vordergrund stehen. Wann die Voraussetzungen einer Verwirkungsklausel erfüllt sind, bestimmt die h.M. allein durch Auslegung. Auch solche Klauseln, die auf ein bestimmtes Verhalten abzielen, d.h. spezielle Verwirkungsklauseln, bedürfen der Auslegung, da die Verhaltensanforderungen häufig nicht eindeutig sind. Die Klausel "wer das Testament anficht" ist bspw. dahingehend zu verstehen, dass hiermit nicht nur die Anfechtung i.S.d. §§ 2078, 2079 BGB gemeint ist, sondern hierunter alle Handlungen fallen, die ihrer Art nach geeignet sind, die Verfügung ganz oder teilweise zu Fall zu bringen. Wer seinen Pflichtteil geltend macht, greift nicht ohne Weiteres den Willen des Erblassers an. Hierin kann nicht grundsätzlich eine Anfechtung im Sinne einer Verwirkungsklausel gesehen werden. Die Geltendmachung des Pflichtteils allein schließt nicht aus, auch die testamentarische Zuwendung zu beanspruchen. Soll dies der Fall sein, muss dies noch dur...