Ursula Seiler-Schopp, Michael Rudolf
I. Unwirksamkeit letztwilliger Verfügungen, die der Erblasser zugunsten seines Ehegatten verfügt hat
1. Ehe darf nicht mehr bestehen
Rz. 2
Die Wirksamkeit der letztwilligen Verfügungen zugunsten des Ehegatten ist davon abhängig, ob die Ehe im Zeitpunkt des Todes des Erblassers noch besteht, es sei denn, der Erblasser hätte die Verfügung auch für den Fall des Nichtbestehens getroffen (Abs. 3). Der Ehegatte muss in der letztwilligen Verfügung nicht ausdrücklich als solcher bezeichnet sein. Unter Abs. 1 fallen auch solche Fälle, in denen der Erblasser ein Testament errichtet und Verfügungen zugunsten einer Person trifft, mit der er verlobt ist, die er jedoch erst zu einem späteren Zeitpunkt heiratet. War er jedoch bei Testamentserrichtung nicht einmal verlobt, gilt § 2077 BGB nicht, da die familienrechtliche Bindung im Vordergrund steht und dieser Zusammenhang in dem vorgenannten Fall fehlt. Für den Fall, dass eine Verfügung von Todes wegen errichtet wurde, und zwar in Erwartung der späteren Eheschließung sowie des Fortbestandes der geschlossenen Ehe, kommt allenfalls eine Anfechtung gem. § 2078 Abs. 2 BGB in Betracht. Die Anwendbarkeit von § 2077 BGB scheidet aus.
Rz. 3
Die letztwillige Verfügung ist in allen Fällen des Nichtbestehens der Ehe unwirksam. Hierunter fällt die Nichtigkeit der Ehe gem. den bis 1.7.1998 geltenden §§ 17–21 EheG, deren Auflösung durch Scheidung, ebenso die rechtskräftige Aufhebung der Ehe (§ 1313 BGB) sowie in den Fällen, in denen der bedachte Ehegatte wieder heiratet, nachdem der Erblasser für tot erklärt worden ist, die Wiederheirat jedoch vor dem Tode des Erblassers erfolgt. Die Eheaufhebung gem. § 1313 BGB ist dabei mit Wirkung zum 1.7.1998 an die Stelle des Nichtigkeits- oder Aufhebungsurteils im Sinn des EheG getreten. Wurde die Ehe vor dem 1.7.1998 aufgehoben, ist zusätzlich Art. 226 EGBGB zu beachten. Wurde bereits vor dem 1.7.1998 Nichtigkeits- oder Aufhebungsklage gem. den Vorschriften des bis dahin geltenden EheG erhoben, gilt Art. 226 Abs. 2 EGBGB.
Rz. 4
Von Abs. 1 nicht erfasst werden die Fälle, in denen die Ehe durch den Tod des Bedachten aufgelöst wird. Nach den Vorschriften der §§ 1923, 2108, 2160 BGB entfällt die Zuwendung an denselben ohnehin.
Wurde eine Ehe im Gebiet der ehemaligen DDR vor dem Beitritt geschieden, ist § 2077 BGB anwendbar, sofern der Erbfall nach dem Beitritt eintritt.
2. Rechtshängigkeit eines Scheidungs- oder Aufhebungsverfahrens
Rz. 5
§ 2077 BGB findet auch dann Anwendung, wenn die Ehe zwar noch besteht, ein Scheidungs- oder Aufhebungsverfahren jedoch bereits rechtshängig ist. Voraussetzung ist, dass im Zeitpunkt des Todes des Erblassers die Voraussetzungen für eine Scheidung bzw. Aufhebung der Ehe vorgelegen haben und das entsprechende Verfahren vom Erblasser auch eingeleitet worden ist bzw. er einer Einleitung eines derartigen Verfahrens zugestimmt hat. Der Scheidungsantrag muss bereits rechtshängig sein, wobei § 167 ZPO nicht analog angewendet werden kann. Gleiches gilt für die Aufhebungsklage bzw. die Zustimmung des Erblassers i.S.v. § 1566 Abs. 1 BGB. Bzgl. der Zustimmung des Erblassers zum Scheidungsantrag des überlebenden Ehegatten ist str., ob eine formlose Erklärung ausreichend ist oder ob die Zustimmung der Form des § 134 Abs. 1 FamFG genügen muss. Die Zustimmung kann im Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten erklärt werden, ebenso gegenüber der Geschäftsstelle. Da jedoch die Zustimmung dem Scheidungsantrag gleichgestellt wird und ein solcher nicht formlos gestellt werden kann, kann auch eine Zustimmung nicht formlos erfolgen. Es ist daher der zweitgenannten Ansicht zu folgen. Der Erblasser kann eine bereits erteilte Zustimmung noch bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung widerrufen. In einer Erklärung, zu einer Mediation bereit zu sein, kann ein Widerruf der Zustimmung jedoch nicht gesehen werden.
Rz. 6
Wurde Scheidungsantrag bei einem örtlich unzuständigen Gericht gestellt, ist dies unschädlich. Hat der Erblasser jedoch nur einen Antrag auf Verfahrenskostenhilfe (früher: Prozesskostenhilfe) oder den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wegen eines Prozesskostenvorschusses gestellt, reicht dies nicht aus. Sowohl bei der Aufhebung als auch bei der Scheidung der Ehe ist erforderlich, dass der Antrag Erfolg gehabt hätte und die Ehe aufgrund des Antrages aufgelöst oder geschieden worden wäre. Abs. 1 findet keine Anwendung, wenn der Scheidungsantrag zurückgenommen oder die Zustimmung wirksam widerrufen wird.