Ursula Seiler-Schopp, Michael Rudolf
Rz. 22
Nach neuester Rspr. ist § 2077 BGB auf solche Fälle, in denen die Eltern den Ehegatten ihres Kindes in ihrer letztwilligen Verfügung bedacht haben, nicht analog anzuwenden. Die Ehe mit dem eigenen Abkömmling ist oft nicht der Grund für die Zuwendung. Vielmehr sind andere Gründe ausschlaggebend, wie beispielsweise die Versorgung der Enkelkinder, die Belohnung für geleistete Dienste bzw. die Erwartung der Pflege im Alter. Es ist im Wege der Auslegung zu ermitteln, ob die Zuwendung vom Bestand der Ehe abhängig gemacht wurde oder aufgrund anderer Überlegungen erfolgte. Im letzteren Fall bleibt die Zuwendung bestehen, auch wenn die Ehe aufgelöst wurde. Hat der Erblasser jedoch in seiner Verfügung die Bezeichnung "Ehefrau", "künftige Ehefrau" oder "Schwiegersohn" gewählt, so ist davon auszugehen, dass eine Erbeinsetzung des Schwiegerkindes mit der Scheidung vom eigenen Kind regelmäßig unwirksam wird. Werden Schwiegerkinder bedacht, so sollte aus Gründen der Klarstellung in jedem Falle geregelt werden, ob diese vom Bestand der Ehe mit dem eigenen Kind abhängig sein sollen. In den Fällen, in denen sich Veränderungen in der tatsächlichen oder rechtlichen Beziehung zwischen dem Bedachten und dem Erblasser zwischen Testamentserrichtung und Erbfall ergeben haben, kommt die Anwendbarkeit von § 2078 Abs. 2 BGB hingegen in Betracht, wenn die Voraussetzungen vorliegen. Einer analogen Anwendung des § 2077 BGB bedarf es nicht. Wird eine Adoption aufgehoben, kommt § 2077 BGB ebenfalls nicht zum Zuge.
Rz. 23
Nach dem Wortlaut des Abs. 1 ist dieser nur anwendbar, wenn der Erblasser Scheidungsantrag gestellt oder dem Scheidungsantrag des Ehegatten zugestimmt hat. Nicht geregelt ist der Fall, dass der Ehegatte Scheidungsantrag gestellt hat, infolge des Todes des Erblassers dieser nicht mehr entschieden werden konnte und der Erblasser dem Scheidungsantrag noch nicht zugestimmt hat. Da es sich jedoch um ähnlich gelagerte Fälle handelt, kommt vorliegend eine analoge Anwendung des § 2077 BGB in Betracht. Nach a.A., der jedoch nicht zu folgen ist, ist Erblasser i.S.d. § 2077 BGB nur der erstverstorbene Erblasser. Die den Längstlebenden der Ehegatten begünstigende Verfügung wird daher nicht unwirksam, wenn die vorgenannten Voraussetzungen vorliegen. Es wird hier jedoch die Möglichkeit einer Anfechtung gem. § 2078 Abs. 2 BGB eingeräumt.
Rz. 24
Es muss sich bei § 2077 BGB um ein Bedenken in einer letztwilligen Verfügung handeln. Unter Bedenken sind sowohl Erbeinsetzungen als auch Vermächtnisse zu verstehen. Handelt es sich um eine Auflage, findet die Vorschrift des § 2077 BGB analoge Anwendung.