Ursula Seiler-Schopp, Michael Rudolf
1. Verlöbnis
Rz. 9
Ein Verlöbnis i.S.d. §§ 1297 ff. BGB, d.h. ein ernsthaftes wechselseitiges Heiratsversprechen, ist Voraussetzung für die Anwendung des Abs. 2. Hat der Erblasser lange Zeit mit seiner Lebensgefährtin zusammengelebt, bestand jedoch keine konkrete Heiratsabsicht, handelt es sich auch dann nicht um ein Verlöbnis, wenn die Eheschließung nur deshalb unterblieben ist, um die Witwenrente zu behalten. Abs. 2 ist nicht anwendbar, wenn das Verlöbnis zwar beim Tode des Erblassers noch besteht, der Erblasser die Erbeinsetzung jedoch unter die Bedingung gestellt hat, dass eine Eheschließung bereits erfolgt ist. In diesem Falle ist die Verfügung deshalb unwirksam, weil der Bedingungseintritt unmöglich geworden ist.
Rz. 10
Nach dem Wortlaut nicht erfasst wird die Beendigung einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft. Dies bedeutet, dass eine direkte Anwendung des Abs. 2 ausscheidet. Es wäre daher an eine analoge Anwendung der vorbezeichneten Vorschrift zu denken. Eine solche scheidet jedoch nach allg. Ansicht ebenfalls aus, da man davon ausgehen muss, dass eine nichteheliche Lebensgemeinschaft im Gegensatz zum Verlöbnis von unbestimmter Dauer ist und darüber hinaus keine rechtliche Bindung enthält. Im Gegensatz hierzu enthält ein Verlöbnis eine auf Dauer gerichtete rechtliche Bindung. Weiterhin wird seitens der Verlobten in Bezug auf die Vermögensdisposition eine entsprechende Erwartung damit verknüpft. Dies gilt auch dann, wenn sich die Partner als Verlobte bezeichnet haben. Die Beendigung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft kann ggf. i.R.d. § 2078 Abs. 2 BGB Berücksichtigung finden.
2. Auflösung des Verlöbnisses
Rz. 11
Das Verlöbnis muss im Zeitpunkt des Todes des Erblassers aufgelöst worden sein. Eine Auflösung kann zum einen durch einvernehmliche Aufhebung als auch durch einseitige Rücktrittserklärung erfolgen.
3. Rechtsfolgen
Rz. 12
Besteht die Verlobung im Zeitpunkt des Todes des Erblassers nicht mehr, wurde sie also vorher aufgelöst, hat dies die Unwirksamkeit der zugunsten der Verlobten getroffenen Verfügungen zur Folge, jedoch unter Berücksichtigung des Abs. 3. Keine Anwendung findet Abs. 2 für den Fall, dass das Verlöbnis durch den Tod der bedachten Person aufgelöst worden ist. Unerheblich für die Anwendbarkeit des Abs. 2 ist das Verschulden eines der Verlobten. Hat der Erblasser seinen Verlobten zum Erben eingesetzt und endet das Verlöbnis durch das Schließen der Ehe, so ist die Erbeinsetzung des Verlobten als Erbeinsetzung zugunsten des Ehegatten i.S.d. Abs. 1 zu verstehen. Im Falle, dass die Ehe aufgelöst wird, ist Abs. 1 einschlägig. Abs. 2 findet auf solche Zuwendungen, die vor der Verlobung erfolgt sind, keine Anwendung, und zwar auch dann nicht, wenn das Verlöbnis zu einem späteren Zeitpunkt zustande gekommen ist. Unter Umständen kann eine Anfechtung gem. § 2078 Abs. 2 BGB in Betracht kommen.