Rz. 6

Die §§ 2078, 2079 BGB sind gem. § 2281 BGB auch auf Erbverträge anwendbar. In diesem Fall ist der Erblasser selbst anfechtungsberechtigt. Darin liegt der wesentliche Unterschied zur Testamentsanfechtung. Wenn der Erbfall eingetreten ist, können auch dritte Personen anfechten, jedoch nur dann, wenn der Erblasser selbst noch anfechten könnte, d.h. sein Anfechtungsrecht noch nicht erloschen ist (§ 2285 BGB). Im Falle des § 2281 BGB entspricht der Zweck der Anfechtung dem nach den allg. Vorschriften. Geschützt werden soll die Willensfreiheit des Erblassers. Durch die Anfechtung kann dieser seine eigene Erklärung beseitigen und hat die Möglichkeit, neue Verfügungen zu treffen. Die Anfechtung beseitigt die getroffenen Verfügungen und führt dadurch zur Förderung des wahren Willens des Erblassers. Bei Erbverträgen steht somit die Anfechtung durch den Erblasser im Vordergrund. Allerdings dient die Anfechtung auch hier nicht der unmittelbaren Verwirklichung des Erblasserwillens. Aufgrund der Anfechtung werden die Verfügungen nur beseitigt. Der Erblasser muss jedoch aktiv tätig werden, um seinen wahren Willen zu verwirklichen.

 

Rz. 7

Nach geltender Rspr. ist eine Anfechtung wechselbezüglicher Verfügungen nach dem Tode des erstversterbenden Ehegatten analog den Vorschriften über die Anfechtung des Erbvertrages zulässig. Auch hier dient die Anfechtung der Befreiung von der Bindung. Bei der Anfechtung von Erbverträgen und wechselbezüglichen Verfügungen in gemeinschaftlichen Testamenten handelt es sich um die gleichen Anfechtungsgründe wie bei der Testamentsanfechtung. Diese Gründe gehen weit über die Anfechtung nach den allg. Vorschriften hinaus. Insbesondere ist auch hier eine Anfechtung wegen Motivirrtums möglich. Die Tatsache, dass auch bei Erbverträgen und gemeinschaftlichen Testamenten eine Anfechtung möglich ist, führt nach richtiger Ansicht letztendlich dazu, dass die bindende Wirkung derartiger Verfügungen von Todes wegen abgeschwächt wird. Diese Abschwächung findet ihre Rechtfertigung im Schutz der Testierfreiheit.[5] Diese Abschwächung entspricht wiederum der Zurückhaltung des Gesetzes gegenüber einer Bindung des Erblassers. Es besteht jedoch durch die reduzierte Bindung die Gefahr, dass derjenige, der sich auf die Bindungswirkung verlässt, durch die Anfechtung in erheblichem Maße enttäuscht wird. Es ist daher daran zu denken, einen Verzicht auf bestimmte Anfechtungsrechte in den Erbvertrag oder das gemeinschaftliche Testament aufzunehmen.

Nach a.A., der jedoch aus den vorgenannten Gründen nicht zu folgen ist, sei jedoch eine Anfechtung wegen Motivirrtums nur dann zuzulassen, soweit dies im Hinblick auf die Interessen des Erbvertragspartners bzw. des anderen Ehegatten angemessen erscheint. Dies sei deshalb erforderlich, da der andere Partner zu letztwilligen Verfügungen veranlasst und bei diesem das Vertrauen auf den Bestand der Willenserklärung erzeugt worden sei. Angemessenheit sei dann zu bejahen, wenn die Umstände, die für den Irrtum maßgeblich waren, dem anderen bekannt gewesen sind oder wenn, sofern es sich um einen Vertrag unter Lebenden gehandelt hätte, die Geschäftsgrundlage entfallen sei.[6] Nach weiterer Ansicht solle die Anfechtung beim Erbvertrag auf den Fall positiver unrichtiger Vorstellungen des Erblassers beschränkt werden. Dies würde bedeuten, dass eine Anfechtung wegen sog. unbewusster oder selbstverständlicher Vorstellungen ausgeschlossen wäre. Auf diese Weise könnten dann Diskrepanzen zwischen Anfechtung und Rücktritt gem.§§ 2294 f. behoben werden.[7]

[5] BGH FamRZ 1983, 898, 899; MüKo/Leipold, § 2078 Rn 10.
[6] Soergel/Loritz, § 2078 Rn 2.
[7] Krebber, DNotZ 2003, 20, 32 f.

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