Ursula Seiler-Schopp, Michael Rudolf
I. Nichtigkeit
Rz. 61
Nach § 142 BGB führt eine wirksame Anfechtung zur Nichtigkeit der Verfügung, wobei diese als von Anfang an nichtig anzusehen ist. Es ist zu beachten, dass eine wirksame Anfechtung die anfechtbare Verfügung vernichtet, eine neue wird hierdurch jedoch nicht geschaffen. Dass eine neue Verfügung seitens des Erblassers unterlassen wird, kann nicht angefochten werden. Der Wegfall der Verfügung infolge Nichtigkeit führt dazu, dass eine ersatzweise angeordnete, aber nicht angefochtene Verfügung zum Zuge kommt. Ist eine solche Verfügung nicht angeordnet, tritt eventuell Anwachsung ein. Greift auch dies nicht ein, sind die gesetzlichen Regelungen anzuwenden. Eine frühere Verfügung, die durch die angefochtene Verfügung aufgehoben worden ist, lebt im Falle der Anfechtung wieder auf. Die Nichtigkeit der letztwilligen Verfügung kann dazu führen, dass die gesetzliche Erbfolge eintritt, oder aber zur gewillkürten Erbfolge aufgrund einer früheren Verfügung, und zwar für den Fall, dass das Widerrufstestament bzw. das inhaltlich widersprechende Testament wirksam angefochten wurde. Verliert eine bindend gewordene Verfügung im Erbvertrag oder gemeinschaftlichen Testament ihre Wirksamkeit durch Anfechtung, so kann eine später errichtete Verfügung wirksam werden, und zwar auch dann, wenn sie im Zeitpunkt ihrer Errichtung aufgrund der bindenden Wirkung des Erbvertrages gescheitert wäre. Hat der Erblasser die Erbeinsetzung wirksam angefochten, so führen den Vertragserben beeinträchtigende Schenkungen nicht zu Ansprüchen aus § 2287 BGB. Nach Ansicht des BGH ist hiervon auch dann auszugehen, wenn der Erblasser zwar nicht angefochten hat, aber zum Zeitpunkt der Schenkung noch hätte anfechten können.
II. Umfang der Nichtigkeit
Rz. 62
Wenn mehrere Verfügungen anfechtbar sind, ist durch Auslegung zunächst zu ermitteln, ob nur bestimmte Verfügungen angegriffen werden sollen oder alle in Betracht kommenden. Aufgrund der Anfechtung ist nicht das gesamte Testament nichtig, sondern lediglich die Verfügung, die an dem Willensmangel leidet.
Rz. 63
Für den Fall, dass das Testament oder der Erbvertrag aus mehreren Verfügungen besteht, richtet sich der Fortbestand der übrigen, nicht angefochtenen Verfügungen nach § 2085 BGB. Daraus folgt, dass es auch möglich ist, eine teilbare Verfügung nur in Bezug auf einzelne Teile anzufechten. Aufgrund der Anfechtung soll lediglich der Teil der letztwilligen Verfügung vernichtet werden, der aufgrund eines Willensmangels verfügt worden ist. Im Übrigen soll die letztwillige Verfügung weiterhin Bestand haben. Der wahre Wille des Erblassers soll zum Zuge kommen. Bei mehreren Verfügungen tritt daher im Allg. gem. § 142 BGB lediglich eine Teilnichtigkeit des Testaments ein.
Rz. 64
Demzufolge kann bspw. lediglich die Befreiung eines Vorerben nach § 2136 BGB angefochten werden, und auch die Vorerbenstellung als solche kann Gegenstand der Anfechtung sein. Ebenso ist eine Anfechtung möglich, wenn eine Befreiung des Vorerben nicht angeordnet worden ist. Hier handelt es sich um eine Anfechtung des Umfangs der Nacherbeneinsetzung. Auch die Berufung bestimmter Personen zu Vor- bzw. Nacherben ist anfechtbar. Ebenfalls ist die Quotenregelung bei der Einsetzung von Miterben selbstständig anfechtbar, es sei denn, die Miterben wurden zu gleichen Teilen berufen.
Rz. 65
Dass der Erblasser einer Person ein Vermächtnis zugewandt hat, kann ebenfalls Gegenstand der Anfechtung sein. Hat der Erblasser ein Vermächtnis angeordnet und zu dessen Durchsetzung dem Vermächtnisnehmer einer Vollmacht erteilt, führt die wirksame Anfechtung des Vermächtnisses nach einer Ansicht in der Lit. zur Unwirksamkeit der erteilten Vollmacht. Die Rspr. hat diese Frage bisher nicht entschieden.
Rz. 66
Auch lediglich eine Nebenbestimmung kann eigenständig angefochten werden. Hat der Erblasser eine auflösende Bedingung angeordnet oder eine Befristung durch Endtermin, ist ebenfalls eine selbstständige Anfechtung möglich, nicht jedoch bei Anordnung einer aufschiebenden Bedingung oder einer Befristung durch Anfangstermin. Bei einer aufschiebenden Bedingung sowie einer aufschiebenden Befristung durch Anfangstermin will der Erblasser die Wirksamkeit seiner Verfügung von vornherein nur vom Eintritt der Bedingung bzw. Befristung abhängig machen. Bereits aus diesem Grund ist die Verfügung nicht teilbar. Somit scheidet eine Anfechtung aus.
Ordnet der Erblasser hingegen eine auflösende Bedingung an, so will der Erblasser zunächst einmal den Erfolg, so dass hier von einer Teilbarkeit ausgegangen wird, die eine Anfechtung rechtfertigt.