Ursula Seiler-Schopp, Michael Rudolf
I. Mehrere Anfechtungsberechtigte
Rz. 15
Enthält ein Testament mehrere letztwillige Verfügungen und sind diese anfechtbar, so sind die jeweiligen Anfechtungsberechtigungen voneinander unabhängig. Für den Fall, dass mehrere Personen zur Anfechtung einer Einzelverfügung berechtigt sind, steht jeder von ihnen ein selbstständiges Anfechtungsrecht zu. Erklärt jedoch nur eine Person die Anfechtung, so wirkt die Anfechtung absolut, d.h. sie kommt auch den anderen Anfechtungsberechtigten zugute und führt zur Nichtigkeit zugunsten aller anfechtungsberechtigten Personen. Nach a.A. sei diese absolute Wirkung jedoch nicht sachgerecht, wenn man vom Sinn und Zweck dieser Regelung ausgehe, die dem Schutz der Interessen des Anfechtungsberechtigten dient. Dem Interesse sei daher genügt, wenn die Verfügung nur insoweit wegfällt, als dem Anfechtenden die Vernichtung zustattenkomme. Den anderen Anfechtungsberechtigten brauche daher nicht die Entscheidung abgenommen zu werden, ob sie nun die Verfügung gelten lassen wollen oder nicht. Loritz ist der Ansicht, es müsse differenziert werden. In den Fällen, in denen derselbe Anfechtungsgrund mehrere Personen zur Anfechtung berechtige und dieser Grund nicht in ihrer Person begründet sei, müsse von einer absoluten Anfechtungswirkung ausgegangen werden. Dies könne jedoch nicht gelten, wenn ein und derselbe Irrtum mehrere Personen betroffen hätte und der Erblasser eine Verfügung deshalb so getroffen hat, dass er all diese Personen von der Erbfolge ausgeschlossen habe. Es könne in diesen Fällen nur derjenige anfechten, auf den sich der Irrtum beziehe. Eine absolute Wirkung scheide aus.
Rz. 16
Es ist der h.M. zu folgen, die von einer absoluten Anfechtungswirkung zugunsten aller anfechtungsberechtigten Personen ausgeht, da den übrigen Beteiligten immer noch die Möglichkeit der Ausschlagung verbleibt, wenn sie die Anfechtung und den damit verbundenen Erwerb nicht gegen sich gelten lassen wollen. Dem Schutz des Anfechtungsberechtigten ist damit ausreichend gedient. Im Übrigen besteht auch bei mehreren Anfechtungsberechtigten die Gefahr, dass die Anfechtungsfrist unterschiedlich zu laufen beginnt, was zur Rechtsunsicherheit führt. Des Weiteren dient die Anfechtung auch dem Interesse des Erblassers. Eine Anfechtung verhilft dem hypothetischen Willen des Erblassers zum Erfolg, so dass eine absolute Wirkung der Anfechtung gerechtfertigt ist.
II. Ausübung des Anfechtungsrechts
Rz. 17
Zunächst ist der Berechtigte selbst zur Ausübung des Anfechtungsrechts befugt. Darüber hinaus kann das Anfechtungsrecht auch durch einen Bevollmächtigten oder gesetzlichen Vertreter ausgeübt werden. Dem beschränkt Geschäftsfähigen steht ebenfalls ein Anfechtungsrecht zu, wenn ihm diese Anfechtung lediglich einen rechtlichen Vorteil bringt, was wohl generell zu bejahen sein dürfte. Ist dagegen der gesetzliche Vertreter selbst zum Erben eingesetzt, ist er nicht berechtigt, die Anfechtung für sein zur Anfechtung berechtigtes Kind zu erklären. In diesem Fall ist der Ablauf der Anfechtungsfrist bis zur Bestellung eines Pflegers gehemmt.
Rz. 18
Weder sind der Testamentsvollstrecker noch der Nachlasspfleger, Insolvenzverwalter oder Nachlassverwalter befugt, das Anfechtungsrecht für den anfechtungsberechtigten Erben auszuüben. Den vorbezeichneten Personen steht jedoch möglicherweise ein eigenes Anfechtungsrecht zu. Der Testamentsvollstrecker kann zur Anfechtung berechtigt sein, wenn der Erblasser den Vergütungsanspruch des Testamentsvollstreckers irrtumsbedingt eingeschränkt hat oder wenn dessen Ernennung durch den Erblasser widerrufen wurde. Wurden mehrere Personen zu Testamentsvollstreckern berufen bzw. vom Erblasser Veräußerungsverbote angeordnet und wurde somit der Testamentsvollstrecker in seiner Amtsführung eingeengt, ist fraglich, ob dem Testamentsvollstrecker ein Anfechtungsrecht zusteht. Schmidt bejaht ein derartiges Anfechtungsrecht. Nach Ansicht von Otte hingegen erscheine das Recht zur Anfechtung nicht unproblematisch, und zwar aufgrund der Fremdnützigkeit des Amtes. In jedem Falle sollte auch eine Anfechtung durch die Erben zugelassen werden. Es könne auch in deren Interesse liegen, dass die Amtsführung des Testamentsvollstreckers nicht unnötig behindert werde.
Rz. 19
Analog den Vorschriften §§ 1432, 1455 Nr. 1 BGB bleibt bei der ehelichen Gütergemeinschaft nur der unmittelbar betroffene Ehegatte anfechtungsberechtigt. Dies gilt auch dann, wenn der erbrechtliche Erwerb Gesamtgut wird und in diesem Fall die Verwaltung des Gesamtgutes entweder dem anderen Ehegatten oder auch beiden Ehegatten gemeinsam zusteht.