Ursula Seiler-Schopp, Michael Rudolf
1. Abs. 2
Rz. 11
Nach Abs. 2 ist in den Fällen, in denen sich der Irrtum nur auf eine bestimmte Person bezieht, nur diese Person anfechtungsberechtigt. Die Vorschrift bezieht sich nur auf den Irrtum, nicht hingegen auf die widerrechtliche Drohung. Von der Vorschrift des Abs. 2 sind die Fälle erfasst, bei denen sich der Erblasser über die Eigenschaft einer Person oder über ein vergangenes, gegenwärtiges oder zukünftiges Verhalten geirrt hat und eine bestimmte Person irrtumsbedingt benachteiligte. Diese benachteiligte Person ist daher anfechtungsberechtigt. Ein Irrtum i.S.v. Abs. 2 liegt bspw. dann vor, wenn der Erblasser ein von ihm errichtetes Testament widerruft, weil er irrtümlich davon ausging, dass die bedachte Person verstorben ist oder wenn der Erblasser einen Abkömmling enterbt, weil er davon ausgegangen ist, dass dieser ihm nach dem Leben trachtet, desgleichen wenn ein Irrtum über die Erfüllung oder Nichterfüllung einer Pflegeverpflichtung vorliegt.
Rz. 12
Die Anfechtungsberechtigung selbst richtet sich nach Abs. 1. Wenn diese gegeben ist, sind alle anderen Personen gem. Abs. 2 ausgeschlossen, auch dann, wenn diesen Personen eine Anfechtung, und damit der Wegfall der Verfügung unmittelbar zustattenkäme. Die Anfechtung wird somit im Falle des Irrtums auf die betroffene Person beschränkt. Dies bedeutet, dass für den Fall, dass die betroffene Person es bei der letztwilligen Verfügung belassen will oder aufgrund Vorversterbens vor Eintritt des Erbfalls selbst nicht mehr anfechten kann, Dritte hieraus keinen Vorteil ziehen sollen. Dies führt dazu, dass dem Erblasserwillen am ehesten Rechnung getragen wird. Ansonsten würde eine Anfechtung unter Umständen dazu führen, dass Personen zum Zuge kommen, die der Erblasser überhaupt nicht bedenken wollte und daher die anfechtbare Verfügung dem Erblasserwillen noch eher entspricht. Nach einer in der Lit. vertretenen Auffassung, der aus den vorgenannten Gründen allerdings nicht zu folgen ist, berücksichtige die vorbezeichnete Ansicht nicht eine mögliche Ersatzerbenstellung. Im Falle des Vorversterbens der gem. Abs. 2 zur Anfechtung berechtigten Person sei daher zunächst zu prüfen, ob eine mögliche Ersatzerbenstellung in Betracht kommt. Sei dies der Fall, sei diesem Ersatzerben eine Anfechtungsberechtigung zuzusprechen.
Rz. 13
Für den Fall, dass der Anfechtungsberechtigte nach dem Erbfall verstorben ist, ist das Anfechtungsrecht schon angefallen. Abs. 2 gilt nicht, die Erben können anfechten, da das Anfechtungsrecht in diesem Fall vererblich ist (siehe Rdn 23).
2. Abs. 3
Rz. 14
Nach Abs. 3 ist das Anfechtungsrecht allein dem Pflichtteilsberechtigten vorbehalten, der übergangen worden ist. Verstirbt der Pflichtteilsberechtigte nach dem Erbfall, ist das Anfechtungsrecht vererblich (siehe Rdn 23), verstirbt er hingegen vor dem Erbfall, kommt § 2079 BGB nicht zum Tragen.
Für den Fall, dass es sich bei einem übergangenen Abkömmling um einen solchen handelt, dessen Mutter nicht verheiratet ist, sind die Rechtswirkungen einer Vaterschaftsanerkennung gemäß den Vorschriften des § 1594 Abs. 1 BGB bzw. gerichtlicher Feststellung nach § 1600d Abs. 4 BGB zu beachten. Diese treten jeweils mit wirksamer Anerkennung bzw. rechtskräftiger gerichtlicher Feststellung ein. Daher ist eine vor diesem Zeitpunkt erklärte Anfechtung unwirksam, obwohl die Vaterschaft an sich rückwirkend auf den Zeitpunkt der Geburt festgestellt wird. Da die Anfechtungserklärung bedingungsfeindlich ist, kommt dieser unwirksam erklärten Anfechtung auch dann keine Rückwirkung zu, wenn es zu einem späteren Zeitpunkt zu einer Vaterschaftsfeststellung kommt bzw. die Vaterschaft später anerkannt wird.