Rz. 61

Verfügungen in einem gemeinschaftlichen Testament oder Erbvertrag sind ebenfalls der ergänzenden Auslegung zugänglich. Handelt es sich um die ergänzende Auslegung einer wechselbezüglichen Verfügung nach dem Tod des Längstlebenden, kommt es auf den hypothetischen Willen des zweiten Ehegatten an, da nur dessen Schlussverfügung Wirksamkeit erlangen kann. Allerdings ist hierbei die bei Testamentserrichtung bestehende Willensrichtung beider Ehegatten zugrunde zu legen.[247] Die vorstehenden Ausführungen gelten auch für den Fall, dass nach dem Tod des erstversterbenden Ehegatten für dessen wechselbezügliche Verfügungen eine ergänzende Auslegung in Betracht kommen sollte. Diese kann dazu führen, die Bindung des längstlebenden Ehegatten einzuschränken oder sogar zu beseitigen.[248] Kommt man jedoch zu dem Ergebnis, dass nur für den überlebenden Ehegatten gesagt werden kann, dass er, hätte er die Sachlage gekannt, eine Wechselbezüglichkeit nicht gewollt hätte, ist für eine ergänzende Auslegung kein Raum. Hier bleibt nur die Anfechtung. Die Auswirkungen einer Anfechtung beurteilen sich dann nach § 2270 Abs. 1 BGB. Somit kann sich die ergänzende Auslegung nur sowohl auf die Verfügung des erstverstorbenen als auch auf die des zweiten Ehegatten, nämlich jeweils auf das Element der Wechselbezüglichkeit, beziehen. Eine ergänzende Auslegung ist daher nur möglich, wenn man sagen kann, dass beide Ehegatten, wären sie mit dem jetzigen Sachverhalt bei Testamentserrichtung konfrontiert gewesen, für diesen Fall eine Ausnahme von der Wechselbezüglichkeit gemacht, im Übrigen aber ihre Verfügungen aufrechterhalten hätten (siehe näher hierzu die Kommentierung zu § 2270 BGB).

[247] MüKo/Leipold, § 2084 Rn 105.
[248] MüKo/Leipold, § 2084 Rn 106, 107 m.w.N.

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