Rz. 44

Wird das Vermögen in einem gemeinschaftlichen Testament dergestalt verteilt, dass der gemeinsame Besitz mit Benennung einer gemeinsamen Eigentumswohnung sowie sämtliches Inventar beim überlebenden Ehegatten verbleiben soll, während für den zweiten Erbfall nicht nur Anordnungen hinsichtlich der Wohnung getroffen werden, sondern verschiedene Bankguthaben beider Erblasser in jeweils den Wohnungswert übersteigender Höhe bestimmten Personen zugeordnet werden, so ist hierin eine Erbeinsetzung des überlebenden Ehegatten zu sehen. Es entspricht der allgemeinen Lebenserfahrung, dass sich Ehegatten in gemeinschaftlichen Testamenten zu Alleinerben einsetzen und sich nicht lediglich die relativ schwache Stellung eines Vermächtnisnehmers geben wollen. Eine formalistische Anwendung des Abs. 2 würde hier zu fehlerhaften Ergebnissen führen. Vielmehr war das wesentliche gemeinsame Vermögen der Eheleute die im Testament ausdrücklich bezeichnete Eigentumswohnung. Demgegenüber treten die vorhandenen gemeinsamen Guthaben und diejenigen der jeweiligen Ehegatten, über welche nicht gesondert testamentarisch verfügt worden ist, wertmäßig zurück. Das wesentliche gemeinsame Vermögen der Ehegatten sollte dem Längstlebenden verbleiben und erst nach dessen Tod gleichmäßig den jeweiligen Verwandten der Eheleute zukommen.[76]

 

Rz. 45

Verfügen Ehegatten in einem gemeinschaftlichen Testament über ihr gesamtes Vermögen und weisen sich dabei gegenseitig den weitaus überwiegenden Teil der Nachlassgegenstände zu (im konkreten Fall: zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung: 22 % zugunsten der Tochter des zuerst verstorbenen Ehegatten aus dessen erster Ehe und 78 % zugunsten der überlebenden zweiten Ehefrau), spricht auch die gegenseitige Gleichbehandlung unter den Ehegatten für eine Alleinerbeinsetzung des überlebenden Ehegatten ("sehr deutliches Zeichen").[77]

[77] KG ErbR 2016, 595.

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