I. Ausschluss der gesetzlichen Erbfolge
Rz. 3
Voraussetzung für die Anwachsung ist zunächst, dass die eingesetzten Erben nach dem Willen des Erblassers die alleinigen Erben sein sollen und die gesetzliche Erbfolge vollständig ausgeschlossen sein soll. Dies kann etwa dann der Fall sein, wenn die Erbteile den Nachlass erschöpfen (also kein Fall des § 2088 BGB), wenn ein Fall des § 2089 BGB vorliegt oder wenn im Falle der Zuwendung einzelner Nachlassgegenstände an mehrere Erben diese Nachlassgegenstände den gesamten Nachlass ausmachen und die Auslegungsregel des § 2087 Abs. 2 BGB nicht greift (siehe dazu § 2087 Rdn 17 ff.). Eine Ausnahme besteht insoweit gem. Abs. 2 für den Fall, dass die Erben auf einen gemeinschaftlichen Erbteil i.S.d. § 2093 BGB eingesetzt sind. Dann findet die Anwachsung unter diesen Miterben auch dann statt, wenn der restliche Erbteil an die gesetzlichen Erben fällt. Es kommt dann also lediglich darauf an, dass der Erblasser die gesetzliche Erbfolge in Bezug auf den gemeinschaftlichen Erbteil ausgeschlossen hat.
Beispiel
Sind A, B und C zu je ¼ eingesetzt, so wird bei Wegfall des C keine Anwachsung stattfinden, weil es am vollständigen Ausschluss der gesetzlichen Erbfolge fehlt. So wie die gesetzlichen Erben das freigelassene Viertel von Anfang an erhalten (§ 2088 Abs. 2 BGB), erhalten sie auch das Viertel des weggefallenen C.
II. Wegfall eines oder mehrerer Erben
Rz. 4
Die Norm setzt weiter den Wegfall eines von mehreren eingesetzten Erben voraus, wobei der Wegfall vor oder nach dem Erbfall erfolgen kann, sofern der Wegfall auf den Erbfall zurückwirkt. Wegfallgründe vor dem Erbfall sind der Tod des eingesetzten Erben vor dem Erbfall gem. § 1923 Abs. 1 BGB, die Totgeburt einer Leibesfrucht gem. § 1923 Abs. 2 BGB (auch nach dem Erbfall) sowie der Zuwendungsverzicht gem. § 2352 BGB. Wegfallgründe nach dem Erbfall sind die Ausschlagung gem. § 1953 BGB, Erbunwürdigkeitserklärung gem. § 2344 BGB, Nichterleben einer aufschiebenden Bedingung gem. § 2074 BGB, Anfechtung gem. §§ 2078, 2079 BGB (für § 2094 BGB str., vgl. Rdn 5 und § 2088 Rdn 7 f.) sowie die Nichterteilung einer gem. Art. 86 EGBGB bzw. § 84 BGB erforderlichen staatlichen Genehmigung.
Rz. 5
Ob § 2094 BGB auch bei Unwirksamkeit oder Nichtigkeit der Erbeinsetzung anwendbar ist, ist umstritten. Der Verfasser seit der 2. Aufl. folgt hier der differenzierenden Betrachtung von Otte und Loritz (siehe ausführlich § 2088 Rdn 6 ff.; Stehlin in der 1. Aufl. für eine generelle Anwendbarkeit des § 2094 BGB).
III. Kein Ausschluss der Anwachsung (Abs. 3)
1. Durch Erblasseranordnung
Rz. 6
Als dritte Voraussetzung verlangt die Norm, dass der Erblasser keinen Ausschluss der Anwachsung gem. Abs. 3 vorgenommen hat. Ein solcher Ausschluss kann allg. oder nur für einzelne Miterben vorliegen. Er hat in der Verfügung von Todeswegen bzw. in der Form einer Verfügung von Todes wegen zu erfolgen. Ein ausdrücklicher Ausschluss ist nicht erforderlich, es genügt vielmehr, dass er aus dem Gesamtinhalt der Verfügung mit hinreichender Sicherheit zu entnehmen ist. Die Beweislast für den Ausschluss trägt nach allgemeinen Beweislastgrundsätzen derjenige, der sich auf ihn beruft.
Rz. 7
Ein Ausschluss muss dann angenommen werden, wenn der Erblasser an die Möglichkeit des Wegfalls eines der Miterben gedacht hat und für diesen Fall bewusst gerade nicht die gesetzliche Regelung zum Zuge kommen lassen wollte, so etwa wenn aus der Verfügung hervorgeht, dass ein Erbe auf jeden Fall nur den ihm zugewiesenen Erbteil und nichts darüber hinaus erhalten soll. Auch wenn der Erblasser einen der Miterben auf einen seinem Pflichtteil entsprechenden Erbteil einsetzt, soll hierin ein Ausschluss der Anwachsung liegen. Demgegenüber soll in der Zuweisung eines bestimmten Bruchteils, selbst wenn dieser geringer ist als der gesetzliche Erbteil, kein Ausschluss der Anwachsung liegen, da hierdurch nur das Teilungsverhältnis unter den Miterben festgesetzt würde.
2. Durch ausdrückliche, konkludente oder vermutete Ersatzerbfolge
Rz. 8
Eine Anwachsung findet gem. § 2099 BGB nicht statt, wenn der Erblasser einen Ersatzerben eingesetzt hat (§ 2096 BGB), das Gleiche gilt für die Einsetzung eines Ersatznacherben gem. § 2102 Abs. 1 BGB. Besondere Bedeutung gewinnt in diesem Zusammenhang die Auslegungsregel des § 2069 BGB, nach der die Abkömmlinge eingesetzter Kinder im Zweifel nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge zu Ersatzerben berufen sind. Greift der Tatbestand des § 2069 ...