Gesetzestext
Der Erblasser kann für den Fall, dass ein Erbe vor oder nach dem Eintritt des Erbfalls wegfällt, einen anderen als Erben einsetzen (Ersatzerbe).
A. Normzweck
Rz. 1
Da der Erblasser nicht sicher sein kann, dass der von ihm eingesetzte Erbe die Erbschaft auch tatsächlich erhält, und nicht etwa vor Eintritt des Erbfalls bspw. verstirbt oder die Erbschaft ausschlägt, hat er die Möglichkeit, die gewillkürte Erbfolge durch die Bestimmung eines Ersatzerben zu sichern und damit den Eintritt der gesetzlichen Erbfolge, aber auch eine mögliche Anwachsung (§ 2094 BGB), auszuschließen (§ 2099 BGB). Ersatzerbe ist daher derjenige, der aufgrund Verfügung des Erblassers an die Stelle des zuvor als Erben Bedachten tritt. Insoweit ist auch bei der Frage der Abgrenzung zwischen Ersatzerben und Nacherben (§ 2100 BGB) zu beachten, dass der Ersatzerbe nicht Nachfolger des Erben wird, sondern stattdessen an seine Stelle tritt (Erblasser wird vom Ersatzerben beerbt). Der Nacherbe wird hingegen als Nachfolger des zuvor bestimmten – und später auch vorhandenen – Vorerben berufen (Erblasser wird zunächst vom Vorerben und bei Eintritt des Nacherbfalls vom Nacherben beerbt).
B. "Wegfall" des zunächst berufenen Erben
I. Allgemeines
Rz. 2
Als Wegfall des zunächst berufenen Erben sind grundsätzlich alle Gründe anzusehen, die dazu führen, dass dieser nicht Erbe wird. Es muss sich dabei um Umstände handeln, die entweder vor dem Erbfall eingetreten sind oder aber um solche, die zwar nach dem Erbfall eintreten, die aber auf den Zeitpunkt des Erbfalls zurückwirken. Praktisch relevant sind das Vorversterben, der Zuwendungsverzicht, die Ausschlagung, eine Erbunwürdigkeitserklärung, die Nichterteilung einer nach Art. 86 EGBGB erforderlichen staatlichen Genehmigung, der Eintritt einer auflösenden Bedingung vor dem Erbfall, der Ausfall einer aufschiebenden Bedingung oder die Nichtigkeit oder wirksame Anfechtung der Erbeinsetzung. Auch eine nach § 2077 BGB unwirksam gewordene Erbeinsetzung stellt grds. einen Wegfall i.S.d. § 2096 BGB dar (ggf. aber Begrenzung). Der Wegfall wird hier also weiter interpretiert als bei § 2094 BGB, da die Ersatzerbenberufung unstr. auch dann zum Zuge kommt, wenn die Erbeinsetzung nichtig ist oder unwirksam wird oder widerrufen wird. Auch die Annahme des eingesetzten Erben als Kind eines anderen kann u.U. als Wegfall angesehen werden. Aus § 2097 BGB ergibt sich, dass die Ersatzerbeneinsetzung vom Erblasser ohne Weiteres auf bestimmte Wegfallgründe begrenzt werden kann. Hat der Erblasser keine Begrenzung vorgenommen, kommt es in allen Fällen des Wegfalls zu einer Ersatzerbfolge.
Rz. 3
Obwohl der Wegfall des erstberufenen Erben eine aufschiebende Bedingung für die Ersatzerbfolge darstellt, findet § 2074 BGB keine Anwendung; der Ersatzerbe muss also nur den Erbfall erleben, nicht den ggf. späteren – aber auf den Zeitpunkt des Erbfalls zurückwirkenden – Wegfall des erstberufenen Erben.
II. Keine Doppelbegünstigung eines Stammes
Rz. 4
Str. ist, ob von einem Wegfall des zunächst berufenen Erben auch dann gesprochen werden kann, wenn dieser etwa von der Möglichkeit der "taktischen" Ausschlagung gem. § 2306 Abs. 1 BGB Gebrauch macht, um seinen Pflichtteil zu erlangen (im Ergebnis eine Auslegungsfrage!). Das OLG Stuttgart hat dies mit der Begründung verneint, die taktische Ausschlagung stelle eine "Störung der vom Erblasser vorgesehenen Nachlassabwicklung" dar, so dass dessen Wille zur Ersatzerbenberufung entfalle. Der BGH lehnt in einem solchen Fall eine Anwendung von § 2069 BGB ab, mit der Folge, dass die Abkömmlinge des Ausschlagenden nicht zu Ersatzerben berufen werden. Allerdings hat der BGH dies bislang nur für den (Zweifels-)Fall des § 2069 BGB entschieden, also eine ausdrückliche Ersatzerbenbestimmung des Erblassers fehlte. Nach OLG München macht es keinen Unterschied, ob die Ersatzerbfolge auf § 2069 BGB oder auf direkter Anordnung gem. § 2096 BGB beruht. Zur Begründung führt das OLG München eine allgemeine Lebenserfahrung dahingehend an, dass es i.d.R. dem Willen des Erblassers nicht entspreche, den Stamm des Abkömmlings, der die Erbschaft ausschlägt und den Pflichtteil verlangt, doppelt zu berücksichtigen. Die Gegenansicht vertritt die Auffassung, dass es aufgrund des § 2320 Abs. 2 BGB nicht zu einer Doppelbegünstigung desselben Stammes kommen kann, weil die nachrückenden Abkömmlinge im Innenverhältnis die Pflichtteilslast zu tragen haben. Richtig erscheint es indessen im Falle der Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen, eine...