Rz. 24
Nach der widerlegbaren Vermutung des § 2108 Abs. 2 S. 1 BGB ist die Nacherbenanwartschaft im Zweifel vererblich. Sie geht also, sofern ein gegenteiliger Wille des Erblassers nicht feststellbar ist, auf die – gesetzlichen oder testamentarischen – Erben des Nacherben über, wenn dieser zwischen dem Erbfall und dem Eintritt des Nacherbfalls verstirbt (Einzelheiten bei § 2108 BGB). Das Anwartschaftsrecht des Nacherben ist darüber hinaus nach wohl einhelliger, zwischenzeitlich gewohnheitsrechtlich anerkannter Auffassung übertragbar. Der Erblasser, dessen Willen die Übertragung regelmäßig nicht entsprechen wird, kann die Übertragbarkeit des Nacherbenanwartschaftsrechts jedoch in der letztwilligen Verfügung ausschließen; vgl. nur §§ 413, 399 BGB. Dies kann auch eingeschränkt geschehen. So kann bspw. eine Übertragung des Anwartschaftsrechts auf den Vorerben ausgenommen werden, um diesem die Möglichkeit zu geben, Vollerbe zu werden. Der gem. § 2222 BGB bestellte Nacherbentestamentsvollstrecker ist zur Übertragung des Anwartschaftsrechts nicht befugt.
Rz. 25
Auf die Übertragung des Anwartschaftsrechtes finden die §§ 2033 f., 2371, 2385 BGB entsprechende Anwendung. Die Verfügung über das Anwartschaftsrecht sowie das Verpflichtungsgeschäft zu einer solchen Verfügung bedürfen daher der notariellen Beurkundung. Dies gilt auch für einen Verzicht des Nacherben auf seine Rechte zugunsten des Vorerben, weil dieser i.d.R. als Übertragung des Anwartschaftsrechts auf den Vorerben angesehen werden kann. Dem Mitnacherben steht nach § 2034 BGB ein Vorkaufsrecht auch dann zu, wenn der Käufer selbst der Vorerbe ist. Sind keine Miterben vorhanden oder üben diese ihr Vorkaufsrecht nicht aus, steht dem Vorerben entsprechend § 2034 BGB ein Vorkaufsrecht zu. Die Übertragung des Nacherbenanwartschaftsrechtes beinhaltet zugleich die Annahme der Nacherbschaft (näher § 2142 Rdn 5). Durch die Übertragung des Anwartschaftsrechts tritt der Erwerber unmittelbar in die Rechtsstellung des Nacherben ein und wird daher mit Eintritt des Nacherbfalls ohne weitere Zwischenakte und ohne Durchgangserwerb des Nacherben Inhaber des Nachlasses, nicht jedoch Erbe. Im Erbschein ist nicht der Erwerber, sondern der Nacherbe auszuweisen, weil der Erbschein nur die Rechtslage im Erbfall wiedergibt; überdies würde dadurch die Richtigkeit des Übertragungsgeschäftes bezeugt, was nicht Aufgabe des Erbscheins ist. Der Erwerber ist durch einen auf den Nacherben lautenden Erbschein i.V.m. dem notariell beglaubigten Übertragungsgeschäft auch hinreichend legitimiert. Die dem Nacherben zustehenden Kontroll-, Sicherungs- und Mitwirkungsrechte kann nach Übertragung des Anwartschaftsrechts indessen nur der Erwerber ausüben.
Rz. 26
Auf den Erwerber des Nacherbenanwartschaftsrechtes geht das Recht des Nacherben mit dem Inhalt über, den es vor der Übertragung hatte. Die Rechte eingesetzter Ersatzerben bleiben demnach unberührt. Der Erwerber verliert seine Stellung somit in dem Augenblick an die Ersatznacherben, in dem sie auch der Nacherbe – z.B. durch Vorversterben vor Eintritt des Nacherbfalls – verlieren würde. Der Erwerber erhält daher nur dann eine gesicherte Rechtsposition, wenn er sich auch die Anwartschaft des Ersatznacherben übertragen lässt.