Gesetzestext
(1)1Ist eine zur Zeit des Erbfalls noch nicht gezeugte Person als Erbe eingesetzt, so ist im Zweifel anzunehmen, dass sie als Nacherbe eingesetzt ist. 2Entspricht es nicht dem Willen des Erblassers, dass der Eingesetzte Nacherbe werden soll, so ist die Einsetzung unwirksam.
(2)Das Gleiche gilt von der Einsetzung einer juristischen Person, die erst nach dem Erbfall zur Entstehung gelangt; die Vorschrift des § 84 bleibt unberührt.
A. Einsetzung eines nicht Gezeugten
Rz. 1
Erbe kann gem. § 1923 BGB nur werden, wer zum Zeitpunkt des Erbfalls lebt oder gezeugt ist. Die Erbeinsetzung einer nicht gezeugten Person ist daher grds. unwirksam, im Interesse der Aufrechterhaltung der letztwilligen Verfügung wird sie jedoch gem. Abs. 1 S. 1 in eine Nacherbeinsetzung umgedeutet. Dies gilt sowohl wenn nicht festgestellt werden kann, ob mit der Einsetzung des nicht Gezeugten an eine Berufung als Erbe oder als Nacherbe gedacht war, als auch wenn feststeht, dass der Erblasser eine Einsetzung als Erbe und nicht als Nacherbe gewollt hat. Während die Vorschrift im ersten Fall den Charakter einer reinen Auslegungsregel hat, ergänzt sie im zweiten Fall den unvollkommenen Willen des Erblassers. Ergibt die Auslegung der letztwilligen Verfügung jedoch, dass der Erblasser unter keinen Umständen eine Nacherbenberufung, sondern lediglich eine sofortige Erbfolge gewollt hat, ist die Verfügung nach Abs. 1 S. 2 unwirksam. Die Beweislast für einen dahingehenden Willen des Erblassers trägt derjenige, der sich auf die Unwirksamkeit der Verfügung beruft, da die Bestimmung in Abs. 1 S. 1 die Regel darstellt. Dieser Beweis dürfte aber nur schwierig zu führen sein.
I. Erbeinsetzung
Rz. 2
Die Auslegungsregel des § 2101 BGB greift nicht für die Frage, ob ein noch nicht Gezeugter überhaupt eingesetzt ist; dies ist nach allg. Auslegungsgrundsätzen zu ermitteln. Im Übrigen muss der Erblasser auch bei Einsetzung eines noch nicht Gezeugten die Person des Nacherben eindeutig bestimmen.
Rz. 3
Die nach § 2101 BGB Berufenen werden Nacherben mit ihrer Geburt (§ 2106 Abs. 2 S. 1 BGB). Bis dahin sind gem. § 2105 Abs. 2 BGB regelmäßig die gesetzlichen Erben des Erblassers die Vorerben (siehe jedoch Rdn 4). Solange nicht gewiss ist, ob die künftige Person geboren wird, besteht ein Schwebezustand, der einer bedingten Nacherbschaft entspricht. Erst wenn mit der Geburt des Nacherben nicht mehr zu rechnen oder die Frist des § 2109 BGB abgelaufen ist, werden die Vorerben zu Vollerben. Das OLG Zweibrücken stellt auf den Zeitpunkt ab, in dem Gewissheit eintritt, dass "mit der Geburt oder Entstehung der künftigen Person nicht mehr zu rechnen ist". Über den maßgeblichen Zeitpunkt entscheidet also der Stand der Reproduktionsmedizin. Im Fall einer Einsetzung "ehelicher Abkömmlinge" zu Nacherben durch Eheleute soll Löschung des Nacherbenvermerks im Grundbuch erst in Betracht kommen, wenn darüber hinaus feststehe, dass auch eine Volljährigenadoption nicht mehr stattfinden könne.
II. Pflegerbestellung
Rz. 4
Für den noch nicht Gezeugten kann gem. § 1913 S. 2 BGB ein Pfleger bestellt werden, soweit ein Fürsorgebedürfnis hervortritt, z.B. eine Verfügung, die der Vorerbe allein nicht wirksam vornehmen kann, zu genehmigen ist. Gegen die Pflegerbestellung hat der Vorerbe kein Beschwerderecht. Nach Zeugung des Nacherben gilt § 1912 Abs. 2 BGB, wonach die Fürsorge für die Leibesfrucht den Eltern zusteht, soweit sie die elterliche Sorge innehätten.
III. Grundbuch
Rz. 5
Das künftige Nacherbenrecht ist gem. § 51 GBO in das Grundbuch einzutragen. Die noch nicht gezeugte Person wird dabei durch ihre Eltern individualisiert.
IV. Praktische Bedeutung
Rz. 6
Praktisch bedeutsam wird die Vorschrift insbesondere, wenn der Erblasser die Kinder eines nahen Angehörigen zu Erben eingesetzt hat und entgegen § 2070 BGB anzunehmen ist, dass er auch die nach dem Erbfall geborenen Kinder berufen wollte. In diesem Fall sind die bereits lebenden Kinder Vorerben bzgl. des Erbteils de...