Gesetzestext
1Hat der Erblasser angeordnet, dass der Erbe nur bis zu dem Eintritt eines bestimmten Zeitpunkts oder Ereignisses Erbe sein soll, ohne zu bestimmen, wer alsdann die Erbschaft erhalten soll, so ist anzunehmen, dass als Nacherben diejenigen eingesetzt sind, welche die gesetzlichen Erben des Erblassers sein würden, wenn er zur Zeit des Eintritts des Zeitpunkts oder des Ereignisses gestorben wäre. 2Der Fiskus gehört nicht zu den gesetzlichen Erben im Sinne dieser Vorschrift.
A. Konstruktive Nacherbfolge
Rz. 1
Die §§ 2104, 2105 BGB ergänzen unvollständige letztwillige Verfügungen, denen zwar die Anordnung einer Vor- und Nacherbfolge, nicht aber die Person des Vor- bzw. des Nacherben zu entnehmen ist. Ist nur der Vorerbe benannt, so sind nach § 2104 BGB die gesetzlichen Erben des Erblassers als Nacherben berufen (sog. konstruktive Nacherbfolge). In gleicher Weise wird die Lücke gemäß § 2105 BGB geschlossen, wenn der Erblasser lediglich den Nacherben bestimmt hat.
Rz. 2
Die Anwendung der Vorschrift setzt zunächst voraus, dass sich aus der befristeten Berufung des (Vor-)Erben der Wille des Erblassers zur Anordnung einer Vor- und Nacherbschaft ergibt. Weitere Voraussetzung ist, dass die Person des Nacherben in der letztwilligen Verfügung nicht genannt ist und sich auch nicht durch Auslegung ermitteln lässt. Der fehlenden Benennung steht gleich, wenn der Erblasser die Unvollständigkeit der letztwilligen Verfügung durch eigene Willensentschließung herbeiführt, indem er, ohne von der Anordnung der Nacherbfolge abzurücken, die getroffene Einsetzung des Nacherben widerruft. Hingegen liegt eine die Anwendung von § 2104 BGB ausschließende Benennung vor, wenn der Erblasser ausdrücklich die "gesetzlichen" Erben zu Nacherben berufen hat. Hier ist durch Auslegung zu ermitteln, ob damit die gesetzlichen Erben im Zeitpunkt des Erb- oder des Nacherbfalls gemeint sind. Gem. § 2066 S. 2 BGB ist im Zweifel von Letzterem auszugehen. Hat der Erblasser zwar den Vorerben benannt, jedoch weder die Person des Nacherben noch das Ereignis oder den Zeitpunkt bestimmt, mit dem die Vorerbschaft enden soll, so finden die §§ 2104 u. 2106 BGB nebeneinander Anwendung. Bei einem gemeinschaftlichen Testament von Ehegatten, in dem der Letztbedachte nicht ausdrücklich benannt wird, ist zunächst zu prüfen, ob die Auslegungsregel des § 2269 BGB eingreift, die die Anwendung von § 2104 BGB ausschließt.
B. Entsprechende Anwendung
Rz. 3
§ 2104 BGB ist nicht unmittelbar anwendbar, wenn die Bestimmung des Nacherben – durch Vorversterben, Anfechtung der letztwilligen Verfügung oder aus anderen Gründen – hinfällig ist oder wird. Ist der zum Nacherben Berufene schon vor dem Erbfall weggefallen und keine Ersatznacherbschaft angeordnet worden, wird der Vorerbe i.d.R. sogleich mit dem Erbfall Vollerbe. Dies gilt jedoch nicht, wenn feststeht, dass der Vorerbe die Erbschaft nur bis zu einem bestimmten Zeitpunkt oder bis zum Eintritt eines bestimmten Ereignisses erhalten soll; in diesem Fall ist § 2104 BGB entsprechend anzuwenden. Eine entsprechende Anwendung kommt auch in Betracht, wenn der als Nacherbe Eingesetzte gar nicht geboren wird, z.B. wenn sich Ehegatten gegenseitig als Vorerben und die gemeinsamen Kinder als Nacherben berufen, die Ehe jedoch kinderlos bleibt. Dem Willen der Eheleute wird es in diesem Fall allerdings i.d.R. eher entsprechen, dass der Überlebende Vollerbe wird. Ob § 2104 BGB auch dann entsprechende Anwendung findet, wenn die Einsetzung des Nacherben wegen Verstoßes gegen §§ 7, 27 BeurkG unwirksam ist oder sie dies infolge Anfechtung wird, ist umstritten. Wie Grunsky überzeugend darlegt, gebührt in diesen Fällen weder der entsprechenden Anwendung des § 2104 BGB noch der des § 2142 Abs. 2 BGB generell der Vorrang; vielmehr ist jeweils durch Auslegung zu ermitteln, ob der Erblasser den Nachlass lieber dem Vorerben belassen oder ihn seinen gesetzlichen Erben zuwenden wollte.
C. Gesetzliche Erben
Rz. 4
Für den Kreis der nach § 2104 BGB berufenen gesetzlichen Erben gilt gem. § 2066 S. 2 BGB der Zeitpunkt des Nacherbfalls. Erst mit dessen Eintritt steht fest, wer konkret berufen ist. Vorher steht den gesetzlichen Erben daher kein Anwartschaftsrecht (vgl. § 2108 Rdn 3 ff.) zu, das sie vererben könnten. Zum Kreis der gesetzlichen Erben gehört...