Rz. 2
Zu den Abkömmlingen, deren Nichtberücksichtigung die Nacherbeinsetzung entfallen lässt, gehören sämtliche ehelichen und nichtehelichen unmittelbaren und entfernteren Abkömmlinge. Dazu zählen grundsätzlich auch Adoptivkinder, da diese die rechtliche Stellung eines ehelichen Kindes bzw. eines Kindes des Annehmenden haben (§§ 1754, 1767 Abs. 2 BGB). Allerdings wird hier oft ein abweichender Erblasserwille vorliegen. Dies ist z.B. dann anzunehmen, wenn der Erblasser für den Fall, dass der als Erbe Eingesetzte kinderlos stirbt, andere (leibliche) Kinder einsetzt. Ein § 2107 BGB entgegenstehender Erblasserwille kann auch dann anzunehmen sein, wenn eine Adoption nur zu dem Zweck erfolgt ist, die Nacherbeinsetzung zu vereiteln, ferner, wenn die Nacherbfolge nur sicherstellen soll, dass der Nachlass unabhängig von Schulden des Vorerben erhalten bleiben soll. Sofern der Abkömmling des Vorerben durch Erbverzicht, Erbunwürdigkeitserklärung oder Ausschlagung wegfällt, ist durch ergänzende Auslegung zu entscheiden, ob es bei der Nacherbeinsetzung bleibt. Der Abkömmling muss im Zeitpunkt des Nacherbfalls noch nicht geboren sein; gem. § 1923 Abs. 2 BGB reicht es aus, wenn er bereits gezeugt ist. Ist der Abkömmling bereits vor dem Tod des Vorerben gestorben, kann § 2107 BGB nicht greifen.
Rz. 3
Der Abkömmling des Vorerben muss bei Errichtung der letztwilligen Verfügung noch nicht vorhanden oder dem Erblasser nicht bekannt gewesen sein. Erfährt der Erblasser erst nach der Errichtung der Verfügung von dem Vorhandensein eines Abkömmlings, steht dies der Anwendung von § 2107 BGB grundsätzlich nicht entgegen. Wenn der Erblasser die Verfügung trotz Kenntnis vom Vorhandensein des Abkömmlings nicht ändert, kann dies aber ein Indiz für seinen Willen zur Aufrechterhaltung der Nacherbeinsetzung sein. Dies gilt erst recht, wenn der Erblasser zur Zeit der Errichtung der Verfügung weiß, dass der Vorerbe einen Abkömmling gezeugt hat.
Rz. 4
Der Nacherbe muss ausdrücklich oder stillschweigend (§ 2106 Abs. 1 BGB) für die Zeit nach dem Tod des Vorerben bestimmt sein. § 2107 BGB gilt daher nicht, wenn der Eintritt des Nacherbfalls an ein anderes Ereignis oder einen anderen Zeitpunkt geknüpft ist, denn hiermit bringt der Erblasser hinreichend zum Ausdruck, dass der nachgeborene oder unbekannte Abkömmling ganz von der Erbfolge ausgeschlossen sein soll. Wenn der Vorerbe vor oder nach dem Tod des Erblassers rückwirkend wegfällt, tritt nicht dessen Erbe, sondern im Zweifel gem. § 2102 BGB der Nacherbe als Ersatzerbe an seine Stelle. Den Abkömmlingen des Vorerben bleibt nach h.M. lediglich die Möglichkeit, die letztwillige Verfügung nach §§ 2078 Abs. 2, 2079 BGB anzufechten.