1. Auslegungsregel
Rz. 5
Der Erblasser kann die Vererblichkeit der Nacherbenanwartschaft ausschließen. Die Vererblichkeit kann hierbei ganz ausgeschlossen oder auf einen bestimmten Personenkreis, z.B. Abkömmlinge oder Familienangehörige, beschränkt werden. Abs. 2 S. 1 enthält eine Auslegungsregel, die nur greift, soweit die individuelle Auslegung keinen abweichenden Erblasserwillen ergibt. Wer sich auf einen Erblasserwillen beruft, der von der Auslegungsregel abweiche, trägt die Beweislast. Bei einer lückenhaften Verfügung ist erforderlichenfalls der hypothetische Erblasserwille nach den Grundsätzen der ergänzenden Auslegung zugrunde zu legen. Hat der Erblasser ausschließlich engste Familienangehörige bedacht, aber keine Regelung über die Vererblichkeit der Nacherbenanwartschaft getroffen, bestehen hinsichtlich der Vererblichkeit Bedenken, die durch eine ergänzende Auslegung auszuräumen sind. Der Umstand allein, dass als Nacherbe ein Abkömmling des Erblassers eingesetzt ist, spricht hingegen noch nicht gegen eine Vererblichkeit, wenn auch in diesem Fall der Wille des Erblassers, sein Vermögen in der Familie zu halten, besonders häufig im Vordergrund stehen wird. Denkbar ist auch eine "mittlere Lösung", wonach der Erblasser eine Vererbung des Nacherbenrechts nicht vollständig ausschließen, sondern auf Familienangehörige beschränken wollte.
2. Insbesondere Ersatzerbenberufung
Rz. 6
Ein Ausschluss der Vererblichkeit der Nacherbenanwartschaft kann sich auch aus einer ausdrücklichen oder vermuteten Ersatzerbenberufung gem. §§ 2069, 2096 BGB ergeben. Im Einzelnen ist hier jedoch vieles str. Das BayObLG geht in einer viel beachteten Entscheidung davon aus, dass sich generelle Regeln für die Konkurrenz zwischen Abs. 2 S. 1 und §§ 2069, 2096 BGB nicht aufstellen lassen, sondern jeweils allein der durch individuelle Auslegung zu ermittelnde Erblasserwille maßgeblich ist. Selbst die ausdrückliche Ersatznacherbenberufung soll demnach nicht für den Ausschluss der Vererblichkeit der Nacherbenanwartschaft sprechen. Dem kann nur mit Einschränkungen gefolgt werden. Für die ausdrückliche Einsetzung eines Ersatznacherben gem. § 2096 BGB ist eine andere Beurteilung angezeigt als für die vermutete Ersatzerbenberufung gem. § 2069 BGB. Zwar schließt auch die ausdrückliche Ersatzerbenberufung die Vererblichkeit der Nacherbenanwartschaft nicht ohne weiteres aus, da der Ersatznacherbe auch für andere Fälle als den Tod des Nacherben berufen sein kann; wenn Anhaltspunkte für das Gegenteil fehlen, ist jedoch zu unterstellen, dass die ausdrückliche Ersatzberufung für alle Fälle des Wegfalls gelten und anstelle der Erben des Nacherben der Ersatznacherbe zum Zuge kommen soll, da andernfalls der Tod des Nacherben kein Ersatzfall wäre.
Rz. 7
Demgegenüber geht die vermutete Ersatzerbenberufung der Abkömmlinge gem. § 2069 BGB nicht regelmäßig der Vererblichkeit der Nacherbenanwartschaft vor. Der hypothetisch ergänzte Wille reicht grundsätzlich nicht aus, um der Anwartschaft die ihr von Gesetzes wegen zukommende Vererblichkeit zu nehmen. Auch Abs. 2 S. 1 kommt kein Vorrang zu, vielmehr ist in diesen Fällen jeweils die konkrete Auslegung anhand sämtlicher Umstände des Einzelfalls entscheidend. Insofern kann ein Indiz für den Ausschluss der Vererblichkeit sein, wenn sich aus der letztwilligen Verfügung der Wille des Erblassers ergibt, sein Vermögen in der Familie zu halten.
3. Rechtsfolgen
Rz. 8
Der Ausschluss der Vererblichkeit kann zur Folge haben, dass die Nacherbschaft mit dem Tod des Nacherben entfällt und der Vorerbe Vollerbe wird. Es kann aber auch ein Ersatzerbe aufrücken; dies ...