I. Grundsatz
Rz. 12
Wie sich aus Abs. 1 S. 1 a.E. ergibt, stehen dem Vorerben die Nutzungen des Nachlasses zu. Nutzungen sind gem. § 100 BGB die Früchte (§ 99 BGB) und Gebrauchsvorteile der Nachlassgegenstände. Hinsichtlich der Nutzungen findet keine Surrogation statt; der Vorerbe erwirbt sie mit der Einschränkung des § 2133 BGB zu seinem eigenen Vorteil und ebenfalls unmittelbar. Der Erblasser kann jedoch das Fruchtziehungsrecht des Vorerben bspw. auf einen monatlichen Festbetrag aus den Reinerträgnissen beschränken; auch kann er die Früchte mittels Vermächtnisses oder Auflagen einem Dritten (etwa dem Nacherben) zuwenden. Eine solche Verteilung der Nutzungen betrifft nur das Verhältnis des Vorerben zum Begünstigten; den Nachlassgläubigern gegenüber gehören auch die Nutzungen zum Nachlass. Dem Vorerben stehen nur die während der Vorerbschaft angefallenen Nutzungen zu. Vor dem Erbfall angefallene Nutzungen sind Nachlassbestandteil und unterliegen der Nacherbenbindung. Die Verteilung der Nutzungen nach Zeitabschnitten bestimmt § 101 BGB. Ihre Ermittlung geschieht zweckmäßigerweise nach Kalenderjahren, soweit nicht die Art der Fruchtziehung (Beispiel: Mietshaus) kürzere Entnahmeabschnitte nahelegt. Ein Gewinn- und Verlustausgleich zwischen verschiedenen Abrechnungsperioden ist nicht geboten.
II. Unternehmen
1. Einzelkaufmännisches Unternehmen
Rz. 13
Als Nutzungen eines Unternehmens wird in Anlehnung an § 1655 BGB a.F. allgemein der nach Abzug der Steuern verbleibende Reingewinn angesehen, wie er sich aus der nach kaufmännischen Grundsätzen zu errichtenden jährlichen Bilanz ergibt. Ob dies die Steuer- oder die Handelsbilanz zu sein hat, wird unterschiedlich beurteilt. Der Erblasser kann dabei die Bilanzierungs- und Bewertungsfreiheit des Vorerben durch letztwillige Verfügung erweitern oder einschränken. Bei Nichteinhaltung der Bilanzierungs- und Bewertungsvorschriften kann den Vorerben nach § 2130 BGB eine Schadensersatzpflicht treffen. Verluste müssen nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung grundsätzlich jedenfalls insoweit mit den Gewinnen späterer Jahre verrechnet werden, als für ihre Deckung keine Rücklagen gebildet wurden. Dagegen muss der Vorerbe aber spätere Verluste nicht durch Rückführung früher entnommener Gewinne ausgleichen.
2. Personengesellschaften
Rz. 14
Nutzungen eines Personengesellschaftsanteils sind zunächst der auf den Anteil gem. Gesetz und Gesellschaftsvertrag entfallende ausschüttbare und entnahmefähige Gewinn, und zwar bezogen auf die Nutzungszeit und nicht auf den Fälligkeitszeitpunkt (§ 101 Nr. 2 BGB a.E.). Unabhängig hiervon hat der Vorerbe gem. § 122 Abs. 1 HGB das Recht zur Entnahme von jährlich 4 % seines Kapitalanteils. Sieht der Gesellschaftsvertrag zur Rücklagenbildung Gewinnentnahmebeschränkungen vor, bindet dies im Verhältnis zur Gesellschaft auch den Vorerben; er kann also nicht unter Berufung auf sein Nutzungsrecht auch die Auszahlung des nicht entnahmefähigen Gewinns verlangen. Allerdings kann ihm hinsichtlich dieses thesaurierten Gewinnanteils ein Ausgleichsanspruch gegen den Nacherben zustehen, da der Gesellschaftsvertrag nicht das zwischen Vorerben und Nacherben bestehende Rechtsverhältnis regelt und demnach nicht mit verbindlicher Wirkung die Höhe der dem Vorerben in diesem Verhältnis zustehenden Nutzungen festlegen kann. Dies muss erst recht gelten, wenn der Gewinn grundsätzlich entnahmefähig ist, er aber aufgrund eines Gesellschafterbeschlusses thesauriert wird. Hier wird jedoch eine Einschränkung gelten müssen für die Bildung von Rücklagen, die kaufmännisch geboten sind, weil es sich hierbei um eine Maßnahme ordnungsgemäßer Verwaltung handelt; diese Rücklagen stellen dann gewöhnliche, zu Lasten des Vorerben gehende Erhaltungskosten gem. § 2124 Abs. 1 BGB dar. Inwiefern eine Rücklagenbildung kaufmännisch geboten ist, muss notfalls durch richterliche Schätzung gem. § 287 Abs. 2 ZPO bestimmt werden.