1. Einzelkaufmännisches Unternehmen
Rz. 13
Als Nutzungen eines Unternehmens wird in Anlehnung an § 1655 BGB a.F. allgemein der nach Abzug der Steuern verbleibende Reingewinn angesehen, wie er sich aus der nach kaufmännischen Grundsätzen zu errichtenden jährlichen Bilanz ergibt. Ob dies die Steuer- oder die Handelsbilanz zu sein hat, wird unterschiedlich beurteilt. Der Erblasser kann dabei die Bilanzierungs- und Bewertungsfreiheit des Vorerben durch letztwillige Verfügung erweitern oder einschränken. Bei Nichteinhaltung der Bilanzierungs- und Bewertungsvorschriften kann den Vorerben nach § 2130 BGB eine Schadensersatzpflicht treffen. Verluste müssen nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung grundsätzlich jedenfalls insoweit mit den Gewinnen späterer Jahre verrechnet werden, als für ihre Deckung keine Rücklagen gebildet wurden. Dagegen muss der Vorerbe aber spätere Verluste nicht durch Rückführung früher entnommener Gewinne ausgleichen.
2. Personengesellschaften
Rz. 14
Nutzungen eines Personengesellschaftsanteils sind zunächst der auf den Anteil gem. Gesetz und Gesellschaftsvertrag entfallende ausschüttbare und entnahmefähige Gewinn, und zwar bezogen auf die Nutzungszeit und nicht auf den Fälligkeitszeitpunkt (§ 101 Nr. 2 BGB a.E.). Unabhängig hiervon hat der Vorerbe gem. § 122 Abs. 1 HGB das Recht zur Entnahme von jährlich 4 % seines Kapitalanteils. Sieht der Gesellschaftsvertrag zur Rücklagenbildung Gewinnentnahmebeschränkungen vor, bindet dies im Verhältnis zur Gesellschaft auch den Vorerben; er kann also nicht unter Berufung auf sein Nutzungsrecht auch die Auszahlung des nicht entnahmefähigen Gewinns verlangen. Allerdings kann ihm hinsichtlich dieses thesaurierten Gewinnanteils ein Ausgleichsanspruch gegen den Nacherben zustehen, da der Gesellschaftsvertrag nicht das zwischen Vorerben und Nacherben bestehende Rechtsverhältnis regelt und demnach nicht mit verbindlicher Wirkung die Höhe der dem Vorerben in diesem Verhältnis zustehenden Nutzungen festlegen kann. Dies muss erst recht gelten, wenn der Gewinn grundsätzlich entnahmefähig ist, er aber aufgrund eines Gesellschafterbeschlusses thesauriert wird. Hier wird jedoch eine Einschränkung gelten müssen für die Bildung von Rücklagen, die kaufmännisch geboten sind, weil es sich hierbei um eine Maßnahme ordnungsgemäßer Verwaltung handelt; diese Rücklagen stellen dann gewöhnliche, zu Lasten des Vorerben gehende Erhaltungskosten gem. § 2124 Abs. 1 BGB dar. Inwiefern eine Rücklagenbildung kaufmännisch geboten ist, muss notfalls durch richterliche Schätzung gem. § 287 Abs. 2 ZPO bestimmt werden.
3. Kapitalgesellschaften
Rz. 15
Als Nutzungen einer Kapitalgesellschaft stehen dem Vorerben für die Dauer der Vorerbschaft grundsätzlich die auf seine Beteiligung entsprechend den Ergebnisverwendungsbeschlüssen entfallenden Gewinnanteile oder Dividenden zu. Dies gilt jedoch nicht, soweit der Gewinn aus der Auflösung von stillen Reserven resultiert, die bereits vor dem Erbfall gebildet worden sind, denn bei den stillen Reserven handelt es sich um Nachlasssubstanz. Die Ausschüttung des darauf entfallenden Gewinns führt somit zu einer Surrogation, weshalb der ausgeschüttete Betrag in den Nachlass fällt. Bezugsrechte auf neue Aktien und Anteilsrechte aufgrund einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln sind keine dem Vorerben gebührenden Nutzungen, sie fallen in den Nachlass. Daran ändert sich nichts, wenn der Vorerbe hierfür eigene Mittel aufgewendet hat; ggf. stehen ihm lediglich Ausgleichsansprüche gegen den Nacherben gem. § 2124 Abs. 2 BGB oder § 2125 Abs. 1 BGB zu. Eine andere Beurteilung dürfte jedoch angezeigt sein, wenn neue Anteile unentgeltlich ausgegeben werden und die Ausgabe dieser Anteile aus Rücklagen erfolgt, die aus Gewinnen während der Zeit stammen, in der dem Vorerben die Nutzungen zustehen. In diesem Fall werden die Anteile freies Vermögen des Vorerben.