Rz. 2
Der Begriff der Verfügung in § 2112 BGB ist technisch zu verstehen und meint die dingliche Übertragung, Belastung, Inhaltsänderung und Aufgabe der zum Nachlass gehörenden Sachen und Rechte. Reine Verwaltungshandlungen und schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäfte fallen nicht darunter, diese kann der Vorerbe unbeschränkt vornehmen. Der Nacherbe wird hieraus allerdings nur im Rahmen ordnungsgemäßer Nachlassverwaltung verpflichtet (siehe dazu § 2144 Rdn 2). Durch den Maßstab ordnungsgemäßer Verwaltung wird der Vorerbe weder in seiner Verfügungs- noch in seiner Verpflichtungsfreiheit beschränkt; der Vorerbe ist allenfalls gem. §§ 2130, 2131 BGB gegenüber dem Nacherben ersatzpflichtig, wenn er diesem Maßstab nicht entsprechende Handlungen vornimmt. Die Prozessführung des Vorerben über einen Nachlassgegenstand ist keine Verfügung, sondern Teil der dem Vorerben obliegenden Nachlassverwaltung. Der Vorerbe kann daher unbeschränkt und ohne Zustimmung des Nacherben in Aktiv- und Passivprozessen Prozesshandlungen vornehmen. (Zur Rechtskraftwirkung der von dem Vorerben geführten Prozesse sowie zur Verfahrensunterbrechung durch Eintritt des Nacherbfalls siehe § 2139 Rdn 7 f.).
Rz. 3
Unbeschränkt verfügen kann der (Mit-)Vorerbe gem. § 2033 BGB über seinen Miterbenanteil. Die Nacherbenrechte werden hierdurch, da die Veräußerung lediglich den gesamthänderisch gebundenen Anteil am Nachlass und nicht einzelne Nachlassgegenstände betrifft, nicht berührt. Gleiches gilt für die Eingehung einer Gütergemeinschaft zwischen dem Vorerben und seinem Ehegatten sowie für eine letztwillige Verfügung des Vorerben über den Nachlass, Letztere setzt aber voraus, dass der Nacherbfall nicht mit dem Tod des Vorerben, sondern zu einem späteren Zeitpunkt eintritt, andernfalls wird die letztwillige Verfügung hinsichtlich des der Nacherbfolge unterliegenden Vermögens mit dem Nacherbfall gegenstandslos. Hat der Erblasser die Nacherbfolge unter die Bedingung gestellt, dass der Vorerbe nicht anderweitig verfügt (vgl. § 2100 Rdn 10), wird der Vorerbe mit Errichtung einer abweichenden Verfügung Vollerbe, muss indessen bis zum Eintritt des Nacherbfalls weiter als Vorerbe angesehen werden, weil nur mit diesem Ereignis definitiv feststeht, dass er unabänderlich abweichend testiert hat. Verkauft der Vorerbe die gesamte Vorerbschaft (§§ 2371 ff. BGB), unterliegen die erforderlichen speziellen Erfüllungsgeschäfte jedoch den Beschränkungen der §§ 2113 ff. BGB. Der (Mit-)Vorerbe kann ohne Zustimmung des Nacherben gem. § 2042 BGB die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft betreiben; für die zur Durchführung der Auseinandersetzung erforderlichen Verfügungen gelten hierbei zwar die §§ 2113 ff. BGB, der Nacherbe ist aber grundsätzlich zur Zustimmung verpflichtet. Befindet sich im Nachlass eine dem Erblasser angefallene Erbschaft, kann der Vorerbe mit Wirkung für den Nacherben die Ausschlagung erklären (§ 1952 BGB), auch wenn hierzu Grundstücke gehören. Dem Nacherben ist er insoweit lediglich nach § 2130 BGB verantwortlich.