1. Normzweck
Rz. 12
Verfügungen, für die keine oder keine angemessene Gegenleistung in den Nachlass gelangt, berühren das Recht des Nacherben, dem die Erbschaft möglichst ungeschmälert erhalten werden soll, naturgemäß in besonderer Weise. Unentgeltliche Verfügungen (zum Begriff der Verfügung siehe Rdn 3) und Verfügungen zur Erfüllung eines von dem Vorerben erteilten Schenkungsversprechens sind daher gem. Abs. 2 unwirksam, sofern sie das Nacherbenrecht beeinträchtigen und es sich nicht lediglich um Pflicht- oder Anstandsschenkungen handelt. Von dieser Beschränkung kann nicht befreit werden (§ 2136 BGB). Mittelbar lässt sich eine Befreiung allerdings durch ein bedingtes Vorausvermächtnis oder ein Genehmigungsvermächtnis erzielen (siehe dazu § 2136 Rdn 7). Unerheblich ist, über welchen Gegenstand verfügt wird; Abs. 2 erfasst sämtliche Nachlassgegenstände, gleich ob unbeweglich oder beweglich, Sache oder Recht.
2. Begriff
Rz. 13
Unentgeltlich ist eine Verfügung nach stetiger Rspr. dann, wenn ihr objektiv kein vollwertiges Entgelt gegenübersteht und subjektiv der Vorerbe dies entweder erkannt hat oder es bei ordnungsgemäßer Verwaltung des Nachlasses unter Berücksichtigung seiner Pflicht, den Nachlass an den Nacherben herauszugeben (§ 2130 BGB), hätte erkennen müssen. Die subjektiven Voraussetzungen sind somit objektiviert; es kommt nicht auf die persönlichen Erkenntnisfähigkeiten des Vorerben an. Allein das Fehlen eines Entgelts führt noch nicht zur Unentgeltlichkeit i.S.d. Abs. 2, wenn die Verfügung ansonsten ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht. So ist der Verzicht auf eine wertlose Forderung oder einen unverkäuflichen Gegenstand, der nur Kosten verursacht, dem Nacherben gegenüber wirksam.
3. Leistung in den Nachlass
Rz. 14
Entgeltlich ist eine Verfügung nicht schon dann, wenn der Verfügungsgegner für den aus dem Nachlass weggegebenen Gegenstand ein Entgelt entrichtet, sondern grundsätzlich erst, wenn dieses in den Nachlass und nicht in eine andere Vermögensmasse fließt. Das Erhaltungsinteresse des Nacherben ist nur gewahrt, wenn in den Nachlass ein angemessenes Äquivalent für den durch die Weggabe des Gegenstandes entstandenen Vermögensnachteil gelangt. Die subjektiven Vorstellungen des Vorerben sind insoweit ohne Belang; die Verfügung des Vorerben wird nicht dadurch zu einer entgeltlichen, dass der Vorerbe irrig eine nicht in den Nachlass fließende Gegenleistung für ein Entgelt i.S.d. Abs. 2 hält. Die mit Nachlassmitteln bewirkte Tilgung einer Eigenverbindlichkeit des nicht befreiten Vorerben, in der der Vorerbe irrtümlich eine Nachlassverbindlichkeit sieht, ist daher unentgeltlich, weil die Schuldbefreiung nur dem Vorerben zugutekommt. Gleiches gilt, wenn der nicht befreite Vorerbe einen Nachlassgegenstand gegen ein Leibrentenversprechen, das seiner Natur nach nur dem Vorerben Vorteile verschafft, veräußert. Demgegenüber kann eine Verfügung des befreiten Vorerben auch dann entgeltlich sein, wenn ihm die Gegenleistung persönlich zufließt. Da der befreite Vorerbe berechtigt ist, Nachlassgegenstände für sich zu verwenden (§ 2134 BGB), kann er anders als der nicht befreite Vorerbe Nachlassgegenstände gegen eine gleichwertige Leibrente veräußern. Der Kapitalwert der Rente stellt eine angemessene Gegenleistung dar, wenn eine Mindestdauer der Rentenzahlung festgesetzt wird und die Rente bei vorzeitigem Tod des Vorerben dem Nacherben zukommt. Einer unentgeltlichen Verfügung ist die irrige Leistung auf eine Nichtschuld gleichzustellen.
Rz. 15
Für die Entgeltlichkeit einer Verfügung ist nur erforderlich, dass das Entgelt in den Nachlass gelangt, nicht auch, dass es dort bleibt. Die Wirksamkeit der Verfügung ist daher nicht berührt, wenn der Vorerbe die zunächst als Surrogat in den Nachlass gelangende Gegenleistung anschließend widerrechtlich für private Zwecke verwendet. Abs. 2 ist auch dann nicht einschlägig, wenn die Verfügung zugunsten des einzigen Nacherben getroffen wird, weil die Verfügung insoweit entweder mit seinem Einverständnis erfolgt oder er jedenfalls in seinen Rechten nicht beeinträchtigt ist. Erfolgt die Verfügung hingegen nur an einen von mehreren Nacherben bzw. kommt nur diesem die Gegenleistung eines Dritten zugute, ist die Verfügung unentgeltlich. Muss sich der Nacherbe die Leistung auf seinen Nacherbteil anrechnen lassen und übersteigt sie den Wert seines Erbteils nicht, kann sie jedoch als entgeltlich angesehen werden.