Rz. 9

Ein Gutglaubensschutz kommt anders als bei Abs. 3 BGB bei einem Erwerb in der Zwangsvollstreckung nicht in Betracht, da die Vorschriften über den guten Glauben des Grundbuchs und über den gutgläubigen Erwerb beweglicher Sachen (§§ 892 ff., 932 ff., 1244 BGB) nur für den rechtsgeschäftlichen Erwerb gelten.[19] Auch der gutgläubig gegen den Vorerben vorgehende Eigengläubiger erlangt daher gegenüber dem Nacherben durch die Vollstreckung keine wirksamen Rechte. Veräußern hingegen der Insolvenzverwalter entgegen § 83 Abs. 2 InsO oder der Gerichtsvollzieher entgegen § 773 ZPO freihändig Nachlassgegenstände an Dritte, greifen die Gutglaubensvorschriften grundsätzlich ein. Der Gutglaubensschutz bezieht sich jedoch nicht auf die Verfügungsbefugnis des Veräußerers, so dass der Dritte nur dann voll wirksames Eigentum erwirbt, wenn er den Insolvenzverwalter oder den Gerichtsvollzieher für den Eigentümer hält.[20] Bei einer Versteigerung durch den Gerichtsvollzieher gem. § 817 ZPO erwirbt der Ersteher das Eigentum nach h.M. hingegen unabhängig von seinem guten Glauben kraft Hoheitsaktes.[21] Gleiches gilt für die Zwangsversteigerung von Grundstücken, sofern nicht der Nacherbenvermerk (§ 51 GBO) im Grundbuch eingetragen oder das Nacherbenrecht gem. § 37 Nr. 4, 5 ZVG rechtzeitig angemeldet ist.[22]

 

Rz. 10

Wegen des Rechtsverlustes, den der Nacherbe durch wirksame Verwertungsmaßnahmen erleidet, kann der Nacherbe gegen den Erwerber keine Rechte geltend machen.[23] Ihm steht ein Bereicherungsanspruch gem. § 812 Abs. 1 BGB (Eingriffskondiktion) und u.U. ein Schadensersatzanspruch gem. § 823 Abs. 1 BGB wegen der Verletzung der Nacherbenanwartschaft gegen den betreibenden Gläubiger zu.[24] Weiter hat der Nacherbe gegen den nicht befreiten Vorerben regelmäßig einen Erstattungsanspruch gem. § 2134 BGB.[25] Gegen das zuständige Land können Staatshaftungsansprüche gem. § 839 BGB wegen eines Verstoßes der Vollstreckungsorgane gegen § 773 ZPO bestehen. Schließlich kommen gegen den Insolvenzverwalter Schadensersatzansprüche gem. § 60 InsO oder gem. § 823 Abs. 1 u. 2 BGB wegen Verletzung der Nacherbenanwartschaft sowie der Schutznorm des § 83 Abs. 2 InsO in Betracht.[26]

[19] Vgl. nur RGRK/Johannsen, § 2115 Rn 13.
[20] Staudinger/Avenarius, § 2115 Rn 24, der zutreffend darauf hinweist, dass diese Differenzierung von wohl h.M. nicht vorgenommen wird; vgl. Soergel/Harder-Wegmann, § 2115 Rn 13; MüKo/Grunsky, § 2115 Rn 11.
[21] Zöller/Herget, § 817 Rn 7 f.; Stein/Jonas/Münzberg, § 817 ZPO Rn 21.
[22] Staudinger/Avenarius, § 2115 Rn 25.
[23] MüKo/Grunsky, § 2115 Rn 11; Soergel/Harder-Wegmann, § 2115 Rn 13; a.A. Staudinger/Avenarius, § 2115 Rn 27, der Ansprüche gegen vorsätzlich bösgläubigen Ersteher nach § 826 u. § 823 Abs. 1 BGB in Betracht zieht.
[24] MüKo/Grunsky, § 2115 Rn 11.
[25] Staudinger/Avenarius, § 2115 Rn 29.
[26] Staudinger/Avenarius, § 2115 Rn 28.

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