Gesetzestext
Der Erblasser kann den Vorerben von den Beschränkungen und Verpflichtungen des § 2113 Abs. 1 und der §§ 2114, 2116 bis 2119, 2123, 2127 bis 2131, 2133, 2134 befreien.
A. Normzweck
Rz. 1
Die in den §§ 2113 ff. BGB vorgesehenen Beschränkungen und Verpflichtungen verfolgen den Zweck, dem Nacherben den Nachlass möglichst ungeschmälert zu erhalten. Für den Erblasser steht jedoch bei der Anordnung der Vor- und Nacherbschaft vielfach nicht das Erhaltungsinteresse des Nacherben, sondern die angemessene Versorgung und Ausstattung des Vorerben im Vordergrund. § 2136 BGB erlaubt es dem Erblasser daher, den Vorerben von den meisten Beschränkungen und Verpflichtungen der §§ 2113 ff. BGB zu befreien. Die Aufzählung in § 2136 BGB ist abschließend; eine weitergehende Befreiung ist nicht möglich. Nicht befreit werden kann der Vorerbe also
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vom Verbot unentgeltlicher Verfügungen (§ 2113 Abs. 2 BGB; ein gleiches Ergebnis kann jedoch bzgl. bestimmter Verfügungen durch Vorausvermächtnis erreicht werden, siehe Rdn 7); |
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vom Surrogationsprinzip (§ 2111 BGB; auch insoweit kann Vorerbe aber durch Vorausvermächtnis freier gestellt werden); |
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von der Beschränkung der Eigengläubiger des Vorerben bei Zwangsverfügungen (§ 2115 BGB; für dahingehende Befreiung dürfte regelmäßig auch kein Bedürfnis bestehen); |
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von der Verpflichtung zur Inventarisierung (§ 2121 BGB); |
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von der Verpflichtung, den Zustand der Erbschaft durch einen Sachverständigen feststellen zu lassen (§ 2122 S. 2 BGB); |
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von der Verpflichtung, Schadensersatz nach § 2138 Abs. 2 BGB zu leisten. |
Rz. 2
Die Befreiung von der Verpflichtung zur Tragung der gewöhnlichen Erhaltungskosten gem. § 2124 Abs. 1 BGB ist in § 2136 BGB nicht vorgesehen, sie ist jedoch sowohl in der Befreiung von der Pflicht zur ordnungsmäßigen Verwaltung gem. § 2130 BGB als auch in der Befreiung vom Verbot, Erbschaftsgegenstände für sich zu verwenden, enthalten. Ergibt sich aus der letztwilligen Verfügung der Wille des Erblassers zu einer Befreiung über die Grenzen des § 2136 BGB hinaus, kann die Verfügung u.U. als Vollerbeinsetzung des Erstberufenen mit Vermächtnisbeschwerung zugunsten des Zweitberufenen oder – beim gemeinschaftlichen Testament – mit Schlusserbeinsetzung des Zweitberufenen gem. § 2269 BGB aufrechterhalten werden.
B. Letztwillige Verfügung
Rz. 3
Die Anordnung einer Befreiung hat in einer letztwilligen Verfügung – nicht notwendig derselben, in der die Vor- und Nacherbschaft angeordnet ist – zu erfolgen. Eine ausdrückliche Erklärung oder bestimmte Ausdrucksweise ist nicht vorgeschrieben; insbesondere braucht der Erblasser die Worte "Befreiung" oder "befreite Vorerbschaft" nicht zu verwenden, wie bereits § 2137 BGB erhellt, wonach die Einsetzung des Nacherben auf den Überrest als eine umfassende Befreiung gilt. Erforderlich ist lediglich, dass der Befreiungswille in der letztwilligen Verfügung irgendwie, wenn auch nur versteckt oder andeutungsweise, zum Ausdruck kommt; insoweit gelten die allg. Grundsätze über die Auslegung letztwilliger Verfügungen. Ggf. können auch außerhalb der Verfügung liegende Umstände zu deren Auslegung herangezogen werden. Zweifel, ob eine Befreiung angeordnet ist, gehen zu Lasten dessen, der sich auf die Befreiung beruft.
Rz. 4
In der Rspr. haben sich einige Anhaltspunkte für die Auslegung herausgebildet: Die Einsetzung zum "Alleinerben" ("Universalerben", "Haupterben") beinhaltet noch keine Befreiung, denn auch der nicht befreite einzige Vorerbe ist Alleinerbe. Über die Verfügungsbefugnisse sagt dieser Begriff, dessen Gegensatz der Miterbe und nicht der Nacherbe ist, grds. nichts aus. Eine Befreiung folgt auch nicht ohne weiteres daraus, dass der Vorerbe hinsichtlich eines Teils des Nachlasses als Vollerbe eingesetzt ist, denn zwischen den beiden Erbteilen ist eine klare Differenzierung möglich; insbesondere kann der Vorerbe über den freien Erbteil verfügen und die hierzu gehörenden Gegenstände aussondern. Setzen kinderlose Ehegatten sich gegenseitig zu Vorerben und Verwandte oder Dritte zu Nacherben ein, kann aus der Kinderlosigkeit allein noch nicht auf eine Befreiung geschlossen werden; der zum Vorerben berufene überlebende Ehegatte kann jedoch dann stillschweigend befreit sein, wenn er erheblich zum Erwerb des hinterlassenen Vermögens beigetragen hat. Haben Ehegatten eine durch die Wiederverheiratung des überlebenden Ehegatten bedingte Nacherbfolge der Abkömmlinge angeordnet, ist im Zweifel von einer Befreiung auszugehen, weil der Überlebende bis zur Wiederverheiratung die Stellung eines unbeschränkten Erben haben soll. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Einsetzung des überlebenden Ehegatten in einem gemeinschaftlichen oder in einem Einzeltestament erfolgt. Ist die Nacherbeinsetzung auflösend bedingt durch das Vorhandensein von Abkömmlingen des Vorerben, kann bei Fehlen entg...