Rz. 1
Die Vorschrift behandelt allein die Wirkungen des Eintritts des Nacherbfalls, nicht aber dessen Zeitpunkt; diesen bestimmt der Erblasser (§ 2100 BGB), hilfsweise das Gesetz (§ 2106 BGB). Mit Eintritt des Nacherbfalls geht die Erbschaft von selbst, d.h. ohne das Erfordernis rechtsgeschäftlicher Übertragungsakte, auf den Nacherben über. Dabei wird der Nacherbe Erbe des Erblassers und nicht etwa des Vorerben (zur abweichenden Behandlung im Steuerrecht und Zivilprozessrecht vgl. Vorbem. zu § 2100 Rdn 13, § 2100 Rdn 32 f.). Das Vermögen des Erblassers geht kraft Gesetzes mit dinglicher Wirkung (§ 1922 BGB) als Ganzes auf den Nacherben über. Der Nacherbe wird also von selbst Eigentümer aller Nachlassgegenstände, Gläubiger der Nachlassforderungen und Schuldner der Nachlassverbindlichkeiten (siehe dazu § 2144 BGB). Einer Herausgabe der Erbschaft (§ 2130 BGB) an ihn bedarf es dazu nicht. Der Anfall der Erbschaft an den Nacherben erfolgt im Übrigen unbeschadet des Rechts, sie auszuschlagen (§ 2142 BGB), sofern der Nacherbe sie nicht bereits zwischen Erb- und Nacherbfall angenommen hat (siehe dazu § 2142 Rdn 5).
Rz. 2
Der Nacherbe muss den Nachlass von dem Vorerben in dem rechtlichen Zustand hinnehmen, in welchem er sich infolge ordnungsgemäßer Verwaltung – bzw. beim befreiten Vorerben unter Berücksichtigung von dessen eingeschränkten Obliegenheiten – befindet. Vom Vorerben wirksam getroffene Verfügungen muss der Nacherbe somit gegen sich gelten lassen. Hat etwa der (entsprechend befreite) Vorerbe vor Eintritt des Nacherbfalls ein Nachlassgrundstück aufgelassen, wird der Nacherbe mangels Eintragung des Erwerbers zwar mit dem Nacherbfall noch Eigentümer des Grundstücks, ist aber an die Auflassung gebunden. Auf den Nacherben gehen neben den vom Erblasser herrührenden Schulden auch die vom Vorerben im Rahmen ordnungsgemäßer Verwaltung begründeten Verbindlichkeiten über, nicht aber die persönlichen Schulden des Vorerben (siehe dazu § 2144 Rdn 2).
Rz. 3
Hinsichtlich des Besitzes an Nachlassgegenständen ist zu unterscheiden: Hat der Vorerbe den Besitz bereits tatsächlich ergriffen, findet § 857 BGB zugunsten des Nacherben keine Anwendung; dies folgt bereits aus § 2140 BGB, da andernfalls Verfügungen des gutgläubigen Vorerben nach Eintritt des Nacherbfalls wegen Abhandenkommens der Sache nicht wirksam werden könnten. Der Vorerbe bzw., wenn der Tod des Vorerben den Nacherbfall bildet, dessen gem. § 857 BGB in seinen Besitz eintretende Erben müssen daher den Besitz auf den Nacherben übertragen. Der vom Vorerben bis zum Nacherbfall noch nicht ergriffene Besitz geht indessen mit dem Nacherbfall nach § 857 BGB von selbst auf den Nacherben über, ebenso der mittelbare Besitz zusammen mit dem Anspruch auf Herausgabe gegen den unmittelbaren Besitzer.
Rz. 4
Da der Nacherbe nicht Rechtsnachfolger des Vorerben, sondern des Erblassers ist, erlischt eine Vollmacht, die der Vorerbe für Nachlassgeschäfte erteilt hat, mit dem Nacherbfall. Ebenfalls erlischt die vom Vorerben für ein Nachlassunternehmen erteilte Prokura. Vollmacht und Prokura bleiben jedoch bestehen, wenn der Nacherbe ihrer Erteilung zugestimmt hat oder die Erteilung noch vom Erblasser herrührt. Die einem Mitnacherben vom Erblasser erteilte Prokura erlischt hingegen mit dem Nacherbfall, weil ein Miterbe nicht Prokurist eines der Erbengemeinschaft gehörenden Handelsgeschäftes sein kann.
Rz. 5
Hat der Vorerbe bei Eintritt des Nacherbfalls das Recht, die Erbschaft auszuschlagen, noch nicht verloren, so geht dieses Recht nicht auf den Nacherben über, sondern verbleibt beim Vorerben. Tritt der Nacherbfall mit dem Tod des Vorerben ein, geht das gem. § 1952 BGB vererbliche Ausschlagungsrecht auf dessen Eigenerben über, die innerhalb des verbleibenden Rests der Ausschlagungsfrist die Vorerbschaft ausschlagen können, um ggf. den Pflichtteil zu erlangen oder einen güterrechtlichen Zugewinnausgleich geltend zu machen. Dem Nacherben steht ein eigenes, vom Vorerben unabhängiges Ausschlagungsrecht zu (näher hierzu § 2142 BGB).