Rz. 9

Oft ergeben sich Abgrenzungsprobleme zwischen einem Vorausvermächtnis oder einer Teilungsanordnung (§ 2048 BGB).[15] Liegt keine eindeutige Erklärung des Erblassers vor, ist hier der Wille des Erblassers durch Auslegung zu ermitteln. Bei der Teilungsanordnung nimmt der Erblasser Einfluss auf die Verteilung seines Vermögens unter den Erben. Er konkretisiert letztlich den Erbteil. Soll dem Erben dagegen über einen Erbteil hinaus etwas zugewendet werden, ist von einem Vorausvermächtnis auszugehen.[16] Ein höherer Wert des vom Erblasser zugeteilten Vermögens, der ein Auseinandersetzungsguthaben übersteigt, soll dann unter den Erben nicht ausgeglichen werden.[17] Ist allerdings der Erklärung eine entsprechende zusätzliche Zuwendung nicht zu entnehmen, kann es sich nur um eine Teilungsanordnung handeln.[18] Die Teilungsanordnung hat dann zur Folge, dass der "überquotal" ausgestattete Miterbe den ihm nicht gebührenden Mehrwert im Rahmen der Erbauseinandersetzung auszugleichen hat.[19]

 

Rz. 10

Liegt ein Vorausvermächtnis vor, ist der Miterbe grundsätzlich mitbeschwert (§ 2147 S. 2 BGB), sofern der Erblasser nichts anderes bestimmt hat. Der Miterbe erhält somit den vollen Wert des Vermächtnisses; er ist im Übrigen an dem entsprechend verringerten Nachlass beteiligt.[20]

Ordnet der Erblasser ein Vorausvermächtnis an, kann darin eine konkludente Erbeinsetzung liegen.[21]

 

Rz. 11

Die Rspr. stellt in diesem Zusammenhang darauf ab, ob der Erblasser den Zuwendungsempfänger begünstigen wollte (Begünstigungswille).[22]

 

Rz. 12

Ein weiteres Kriterium zur Abgrenzung des Vorausvermächtnisses von der Teilungsanordnung sieht der BGH darin, dass der Erblasser auch einen von der Erbeinsetzung unabhängigen Grund haben kann, einem Miterben einen bestimmten Gegenstand zuzuwenden.[23] Ein solcher Grund kann darin liegen, dass für den Fall, dass der Erbe zwar sein Erbteil ausschlägt, er nach dem Willen des Erblassers dennoch zumindest den Gegenstand erhalten soll. Aus der Verknüpfung der Zuwendung (Vermächtnis) an die Erbenstellung kann nicht zwingend auf eine Teilungsanordnung geschlossen werden, da auch ein Vermächtnis an die Bedingung geknüpft sein kann, dass der Bedachte Erbe wird.[24] Die wertmäßige Begünstigung[25] stellt somit nur ein wichtiges Indiz, nicht aber eine zwingende Voraussetzung für die Auslegung einer Zuwendung als Vorausvermächtnis dar.[26]

 

Rz. 13

Für ein Vermächtnis spricht, dass der Erblasser angeordnet hat, dass der Bedachte den Gegenstand bereits vor der Erbauseinandersetzung erhalten soll.[27]

 

Rz. 14

Räumt der Erblasser dem Bedachten ein Übernahmerecht ein, somit die Möglichkeit der Entscheidung, ob er den Übernahmegegenstand erwerben will oder nicht, handelt es sich um ein Vorausvermächtnis.[28]

Ebenfalls ist in der Verfügung, dass einzelne Kinder etwas aus dem Nachlass der Mutter vorweg erhalten sollen, um so einen Ausgleich dafür zu schaffen, dass ihre Vorempfänge in Bezug auf den Nachlass des Vaters hinter denen anderer Kinder zurückgeblieben sind, ein Vorausvermächtnis zu sehen.[29]

 

Rz. 15

Auch wenn der Erblasser von "vermachen" spricht, muss nicht zwingend von einem Vermächtnis bzw. Vorausvermächtnis ausgegangen werden. Laien verwenden die Begriffe "vererben" und "vermachen" synonym. Hat der Erblasser eine Erbeinsetzung nach Vermögensgruppen vorgenommen, bei der durch die Verteilung der zum Nachlass gehörenden Gegenstände die Erbquote bestimmt wird, ist nicht von einem Vorausvermächtnis, sondern einer Teilungsanordnung i(§ 2048 BGB) auszugehen. Dies kann der Fall sein, wenn der Erblasser seinen Kindern ein Grundstück zu gleichen Teilen "vermacht".[30] Wendet der Erblasser seine gesamten Vermögensgegenstände einzelnen und in unterschiedlichen Werten seinen Kindern zu, ist grundsätzlich von einer Erbeinsetzung zu Quoten und nicht von der Anordnung von Vorausvermächtnissen bei gleichen Erbquoten auszugehen.[31]

[15] Vgl. hierzu Sommer, ZEV 2004, 13, 14.
[16] MüKo/Rudy, § 2150 Rn 5.
[17] BGH NJW 1985, 51; BGH FamRZ 1995, 278; BGH FamRZ 1987, 475; BGH NJW-RR 1990, 1220.
[18] BGH FamRZ 1990, 1112–1114.
[19] BGH FamRZ 1990, 396–398.
[20] MüKo/Rudy, § 2150 Rn 5; Palandt/Weidlich, § 2150 Rn 3.
[21] OLG Schleswig v. 24.1.2013 – 3 Wx 95/12, ZEV 2013, 501–504.
[22] BGH NJW 1962, 343–345; BGH NJW 1998, 682–683; BGH NJW 1995, 721; BGH FamRZ 1985, 62–63; BGH NJW 1982, 43–45; BGH FamRZ 1990, 396–398; BGH NJW-RR 1990, 1220; OLG Braunschweig ZEV 1996, 69.
[24] Staudinger/Otte, § 2150 Rn 12.
[25] Vgl. hierzu Staudinger/Otte, § 2150 Rn 1.
[26] Skibbe, ZEV 1995, 145.
[27] Staudinger/Otte, § 2150 Rn 13.
[28] MüKo/Rudy, § 2150 Rn 7; vgl. BFH v. 13.8.2008 – II R 7/07, ZEV 2008, 550–553; RG v. 21.2.1924 – IV 274/23, RGZ 108, 83–86.
[29] MüKo/Rudy, § 2150 Rn 6; RGZ 82, 149, 152 f.
[30] OLG Frankfurt v. 13.7.2011 – 1 U 43/10, juris.

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