Rz. 21
Bei Vorliegen eines Vorausvermächtnisses wird der gesamte Nachlass belastet. Der Anspruch besteht gegen die Erbengemeinschaft. Dabei ist der Bedachte selbst mit- oder ausschließlich beschwert. Er hat insoweit eine Doppelstellung inne. Da jedoch niemand sein eigener Schuldner sein kann und das Vorausvermächtnis als Vermächtnis "gilt", ist das Vermächtnis als solches zu behandeln.
Rz. 22
Das Vorausvermächtnis ist vorab von dem zu verteilenden Nachlass abzuziehen. Es wird somit ungekürzt gewährt. Dies führt zu einer Minderung des zu verteilenden Nachlasses, wodurch der Vorausvermächtnisnehmer mitbeschwert wird, sofern der Erblasser nichts anderes bestimmt hat (§ 2147 S. 2 BGB). Den schuldrechtlichen Anspruch gegen die Erbengemeinschaft aus einem Vorausvermächtnis kann der Miterbe so grundsätzlich schon vor Auseinandersetzung des Nachlasses geltend machen.
Beispiel
A erhielt ein Vorausvermächtnis von 5.000 EUR und wurde neben B und C zu ⅓ Miterbe bei einem Nachlasswert von 20.000 EUR. A erhält vorab das Vermächtnis von 5.000 EUR und dann nur noch ein Drittel aus dem auf 15.000 EUR verringerten Nachlass, somit insgesamt 10.000 EUR.
Rz. 23
In den Fällen, in denen es auf die Ermittlung der Erbquote ankommt – bspw. §§ 2052, 2059 Abs. 1 S. 2, 2060, 2148 BGB – bleibt das Vorausvermächtnis außer Betracht. Soweit ausnahmsweise die Befriedigung des Vermächtnisses auch zum Nachteil von Nachlassgläubigern vorgenommen werden kann, die im Fall der Nachlassinsolvenz einem Vermächtnisnehmer im Rang vorgehen würden (§§ 1973 Abs. 2 S. 2, 1974 Abs. 2, 1979 BGB), gilt dies auch in Bezug auf das einem Miterben zugewendete Vorausvermächtnis. Da der Alleinerbe jedoch keinen Vermächtnisanspruch aus § 2174 BGB hat und eine in den §§ 1973 Abs. 2 S. 2, 1974 Abs. 2, 1979 BGB vorausgesetzte "Berichtigung der Verbindlichkeiten" nicht vorliegt, kann sich der Alleinerbe den Nachlassgläubigern gegenüber nicht auf sein Vorausvermächtnis berufen.
Rz. 24
Den Vorausvermächtnisnehmer trifft die Verpflichtung beim Vollzug des Vorausvermächtnisses zu seinen Gunsten, den Regeln der dinglichen Übertragung folgend, sowohl auf der übertragenden Seite als auch auf der Erwerberseite mitzuwirken. Der Anspruch ergibt sich aus den §§ 2038 Abs. 1 S. 2 Hs. 1, 2046 Abs. 1 S. 1 BGB. Die Berichtigung von Nachlassverbindlichkeiten ist grundsätzlich eine Maßnahme der ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses. Hieran hat jeder Miterbe mitzuwirken. Wurde ein Vorausvermächtnis zugewandt, erfordert die Erfüllung dieses Vermächtnisses die dingliche Übertragung. Bei Gesellschaftsanteilen erfolgt die dingliche Übertragung nach §§ 413, 398 BGB. Erst ab dem Zeitpunkt der wirksamen Übertragung rückt der Vermächtnisnehmer in die Rechtsstellung des früheren Gesellschafters ein.