Gesetzestext
(1)Hat der Erblasser die vermachte Sache nur der Gattung nach bestimmt, so ist eine den Verhältnissen des Bedachten entsprechende Sache zu leisten.
(2)Ist die Bestimmung der Sache dem Bedachten oder einem Dritten übertragen, so finden die nach § 2154 für die Wahl des Dritten geltenden Vorschriften Anwendung.
(3)Entspricht die von dem Bedachten oder dem Dritten getroffene Bestimmung den Verhältnissen des Bedachten offenbar nicht, so hat der Beschwerte so zu leisten, wie wenn der Erblasser über die Bestimmung der Sache keine Anordnung getroffen hätte.
A. Allgemeines/Systematische Einordnung
Rz. 1
§ 2155 BGB befasst sich mit der Problematik der Zuweisung eines nur der Gattung nach bestimmten Vermächtnisses. Ein relativ unbestimmter Leistungsgegenstand wird erst durch die Leistung konkretisiert (§ 243 Abs. 1 BGB). Dabei modifiziert jedoch § 2155 BGB in erbrechtlicher Hinsicht § 243 BGB. Es ist daher nicht "eine Sache von mittlerer Art und Güte", sondern eine "den Verhältnissen des Bedachten entsprechende Sache" zu leisten. Die Frage der Gewährleistung beim Gattungsvermächtnis richtet sich nach den besonderen Vorschriften der §§ 2182, 2183 BGB.
B. Tatbestand
I. Gattungsvermächtnis
Rz. 2
Durch ein Gattungsvermächtnis räumt der Erblasser dem Vermächtnisnehmer eine Gattungsforderung i.S.d. § 243 Abs. 1 BGB ein, wobei die Regelung zur Gattungsschuld durch § 2155 BGB modifiziert wird. Von einer Gattung von Gegenständen ist auszugehen, wenn diese durch gemeinschaftliche Merkmale, wie bspw. Preis, Sorte oder Typ, näher bestimmt werden. Dabei ist auch eine Festlegung der Merkmale für die Gattung durch den Erblasser möglich.
Rz. 3
Dem Wortlaut des § 2155 BGB nach kann sich die Gattungsschuld nur auf Sachen beziehen. Dabei kann es sich sowohl um vertretbare Sachen ("zwölf Flaschen Macallan 18") oder unvertretbare Sachen ("ein Bild des Malers Eduardo Rosales") handeln. Auch wenn § 2155 BGB seinem Wortlaut nach nur auf Sachen i.S.v. § 90 BGB – auch Sachinbegriffe gem. § 90 Abs. 2 BGB – anwendbar ist, so ist doch eine entsprechende Anwendung auf Dienstleistungen, Werkleistungen und Rechte anzunehmen. Die Zuwendung einer noch zu bestimmenden Teilfläche kann auch ein Gattungsvermächtnis darstellen.
Rz. 4
Befinden sich die Sachen der durch Vermächtnis zugewiesenen Gattung nicht im Nachlass, bleibt das Gattungsvermächtnis grundsätzlich wirksam. § 2169 Abs. 1 BGB ist nicht anwendbar, da dieser nur für das Stückvermächtnis gilt. Jedoch kann der Erblasser die Gattungsschuld auf den Nachlass beschränken (beschränktes Gattungsvermächtnis).
Rz. 5
Ein beschränktes Gattungsvermächtnis liegt vor, wenn der Erblasser verfügt hat, dass eine der Gattung nach bestimmte Sache nur aus den im Nachlass befindlichen Sachen zu leisten ist. Sachen, die beim Erbfall nicht mehr in die Erbschaft fallen, können dann nicht Gegenstand eines Gattungsvermächtnisses sein.
Rz. 6
Im Zweifel liegt auch dann ein Gattungsvermächtnis vor, wenn nicht alle in den Nachlass fallenden Gegenstände der Gattung den Verhältnissen des Bedachten entsprechen. Dem Bedachten wird so ein Anspruch auf eine für ihn passende Sache gewährt, ohne dass ihm ein Wahlrecht zusteht.
Rz. 7
Gegenstand eines Gattungsvermächtnisses kann auch ein Sachinbegriff (§ 92 Abs. 2 BGB) mit wechselndem Bestand sein (z.B. Weinkeller, Sammlung, Hausrat).
Rz. 8
Ob ein Geldvermächtnis in den Anwendungsbereich des § 2155 BGB fällt, ist umstritten. Generell fällt auch das Geldvermächtnis – und zwar nicht nur, wenn es um die Zuweisung bestimmter Münzsorten geht – unter den Anwendungsbereich des § 2155 BGB. Dies wird z.T. von der Lit. mit der Begründung abgelehnt, dass bei dem Geldvermächtnis für eine nähere Bestimmung des Leistungsinhalts kein Raum ist. Wendet der Erblasser ein Geldvermächtnis in Höhe einer bestimmten Quote des Nachlasswertes zu (Quotenvermächtnis), gilt diese rechtliche Qualifizierung ebenfalls. Nicht auf den Nachlass beschränkt ist das reine Geldbetragsvermächtnis. Es stellt ein unbeschränktes Gattungsvermächtnis dar (§ 2173 S. 1 BGB).
II. Bestimmungsberechtigter
Rz. 9
Bestimmungsberechtigter kann der Beschwerte, der Bedachte oder ein Dritter sein. Fehlt es an einer besonderen Anordnung des Erblassers, steht das Bestimmungsrecht dem Beschwerten zu.
Rz. 10
Das Bestimmungsrecht steht dem Beschwerten zu, wenn seine Ausübung dem Bedachten oder einem Dritten unmöglich wird oder diese nicht in...