Gesetzestext
(1)Ein Vermächtnis, das unter einer aufschiebenden Bedingung oder unter Bestimmung eines Anfangstermins angeordnet ist, wird mit dem Ablauf von 30 Jahren nach dem Erbfall unwirksam, wenn nicht vorher die Bedingung oder der Termin eingetreten ist.
(2)Ist der Bedachte zur Zeit des Erbfalls noch nicht gezeugt oder wird seine Persönlichkeit durch ein erst nach dem Erbfall eintretendes Ereignis bestimmt, so wird das Vermächtnis mit dem Ablauf von 30 Jahren nach dem Erbfall unwirksam, wenn nicht vorher der Bedachte gezeugt oder das Ereignis eingetreten ist, durch das seine Persönlichkeit bestimmt wird.
A. Allgemeines/Normzweck
Rz. 1
Sinn und Zweck der Vorschrift ist es, erbrechtliche Schwebezustände nicht auf unabsehbare Zeit andauern zu lassen. § 2162 BGB entspricht so der für die Nacherbfolge geltenden Regelung des § 2109 Abs. 1 S. 1 BGB. Dem Erblasser wird so die Möglichkeit genommen, seine Willensmacht über alle nachfolgenden Generationen zu erstrecken. Die Regelung entspricht auch dem Gedanken der §§ 2044 Abs. 2 und 2210 BGB. Wie § 2044 BGB (Ausschluss der Auseinandersetzung) ist § 2162 BGB eine zwingende Vorschrift. Anwendung findet sie insbesondere dann, wenn das Vermächtnis aufschiebend bedingt oder aufschiebend befristet ist und die Bedingung oder der Termin erst nach dem Erbfall eintreten (§ 2177 BGB). Von Relevanz ist § 2162 BGB auch dann, wenn der Bedachte zur Zeit des Erbfalls noch nicht gezeugt ist oder seine Persönlichkeit durch ein erst nach dem Erbfall eintretendes Ereignis bestimmt wird (§ 2178 BGB).
B. Tatbestand und Rechtsfolgen
I. Aufgeschobenes Vermächtnis
Rz. 2
Anwendung findet die Frist des § 2162 BGB grundsätzlich auf alle Vermächtnisarten, somit auch auf Untervermächtnisse und Nachvermächtnisse (§§ 2186, 2191 BGB). Voraussetzung ist zunächst das Vorliegen eines bestimmten Schwebezustandes. Dieser kann sich ergeben aus dem Inhalt des Vermächtnisses (Abs. 1) oder in der Person des Bedachten liegen (Abs. 2). Nicht mehr anwendbar ist § 2162 BGB, wenn der Schwebezustand vor Fristablauf beendet worden ist. Dies gilt unabhängig davon, ob der Vermächtnisanspruch erst später fällig wird (vgl. hierzu §§ 2074, 2177, 2178 BGB).
Rz. 3
Im Einzelfall kann die Abgrenzung Schwierigkeiten bereiten, ob das Entstehen oder nur die Fälligkeit des Vermächtnisanspruchs aufgeschoben ist. Ist angeordnet, dass der Vermächtnisnehmer das Vermächtnis erst bei Erreichung eines bestimmten Alters erhalten soll, steht dies der Ansicht entgegen, dass das Vermächtnis ihm bereits mit dem Erbfall angefallen ist. Soll der Bedachte das Vermächtnis erst beim Ableben des Erben erhalten, stellt dies zwar eine Zeitbestimmung dar. Hierdurch wird nicht ausgeschlossen, dass das Vermächtnis auch bedingt zugewendet ist. Erhält der Bedachte aufgrund der Anordnung des Erblassers ab dem Erbfall Zinsen oder Früchte einer Sache, spricht dies gegen ein aufschiebend bedingtes oder befristetes Vermächtnis. Ein Gewinnvermächtnis, das vom Eintritt des Beschwerten in die Gesellschaft abhängt, ist dagegen aufschiebend bedingt.
Rz. 4
Ist das Vermächtnis auf wiederkehrende Leistungen, insbesondere eine Leibrente gerichtet, fällt das Vermächtnis einheitlich an. Das heißt, § 2162 BGB findet auf die einzelnen Teilleistungen keine Anwendung, die nach Ablauf der 30-Jahres-Frist erfolgen. Es handelt sich hierbei nicht um einzelne Vermächtnisse, sondern Erträge aus dem vermächtnisweise zugewendeten Stammrecht.
II. Fristablauf
Rz. 5
Der Beginn der Frist ist der Erbfall. Die Berechnung erfolgt nach den §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 Alt. 1 BGB. Im Fall des Abs. 2 verlängert sich die Frist um die Empfängniszeit (§ 2178 BGB). Maßgebend ist schließlich, ob der Vermächtnisnehmer bei Ablauf von 30 Jahren seit dem Erbfall bereits erzeugt ist.
III. Fortbestehen vor Fristablauf wirksam gewordener Vermächtnisse
Rz. 6
Für die Dauer der Wirksamkeit eines Vermächtnisses, das einmal wirksam geworden ist – sei es mit dem Erbfall oder später innerhalb der Fristen nach den §§ 2162 ff. BGB –, ist § 2162 BGB ohne Relevanz. Ist das Vermächtnis wirksam geworden, ist nunmehr die Regelverjährung von drei Jahren zu beachten.
Rz. 7
Sieht das Vermächtnis keine auflösende Bedingung oder keinen Endtermin vor, können die Bestimmungen über das Erlöschen höchstpersönlicher Rechte – bspw. § 759 BGB bei der Leibrente oder § 1061 BGB bei dem Nießbrauch – eingreifen; wurde ein Anspruch auf Dienstleistungen oder Besitzeinräumung vermacht, können die Vorschriften des Schuldrechts (§§ 567, 624 BGB) einschlägig sein. Dies ergibt sich daraus, dass der Erblasser keine weitergehende Bindung bestimmen kann, als er sich selbst vertraglich binden könnte.
Rz. 8
Tritt eine auflösende Bedingung oder auflösende Befristung nach dem Ablauf der 30-Jahres-Frist ein, kann dies zur Unwirksamkeit des Vermächtnisses führen. Es entfällt der Grund für das Vermächtnis, woraus sich Bereicherungsansprüche nach § 812 Ab...