I. Grundsätzliches
Rz. 3
Voraussetzung ist die Anordnung eines Ersatzvermächtnisses durch den Erblasser. Dies kann ausdrücklich erfolgen oder aber auch stillschweigend gem. § 2069 BGB. Nach der Auslegungsregel des § 2069 BGB wird vermutet, dass, wenn der zunächst bedachte Abkömmling des Erblassers nach der Testamentserrichtung wegfällt, dessen Abkömmlinge zu Ersatzvermächtnisnehmern berufen sein sollen. Fraglich ist, ob Ersatzerbenberufungen nach § 2069 BGB bindend i.S.v. § 2270 Abs. 2 BGB sein können. Der BGH hat entschieden, dass, fällt der in einem Ehegattentestament eingesetzte Schlusserbe weg, § 2270 Abs. 2 BGB auf den Ersatzerben nur anwendbar ist, wenn sich Anhaltspunkte für einen auf dessen Einsetzung gerichteten Willen der testierenden Eheleute feststellen lassen und die Erbeinsetzung nicht allein auf § 2069 BGB beruht. Es kommt insoweit nicht zu einer Ersatzberufung durch die kumulative Anwendung der Auslegungsregeln der §§ 2069 und 2270 Abs. 2 BGB. Im Einzelfall kann aber auch über die Regel des § 2069 BGB hinaus durch Auslegung eine Berufung zum Ersatzvermächtnisnehmer anzunehmen sein.
Rz. 4
Über die Bestimmung des § 2191 Abs. 2 BGB i.V.m. § 2102 Abs. 1 BGB stellt die Einsetzung eines Nachvermächtnisnehmers im Zweifel auch die Einsetzung eines Ersatzvermächtnisnehmers dar.
Rz. 5
Die Vorschrift ist nur einschlägig, wenn der zunächst Bedachte das Vermächtnis nicht erwirbt, d.h. es ihm nicht anfällt. Dies ist in folgenden Fällen der Fall: Vorversterben des Bedachten (§ 2160 BGB), Vermächtnisunwürdigkeit (§ 2345 BGB), Ausschlagung durch den zunächst Bedachten (§ 2180 BGB) bspw. im Fall der Insolvenz nach § 83 Abs. 1 InsO, Verzicht (§ 2352 BGB), Nichterleben einer aufschiebenden Bedingung (§ 2074 BGB), Ausfall einer aufschiebenden Bedingung, Nichtigkeit der Vermächtnisanordnung, Anfechtung des Testaments (§ 2078 BGB), Eintritt einer auflösenden Bedingung oder eines Endtermins, Nichtigkeit des Vermächtnisses.
II. Anfall des Ersatzvermächtnisses
Rz. 6
Auch für den Anfall des Ersatzvermächtnisses gelten die allg. Bestimmungen für den Anfall eines Vermächtnisses. Das bedeutet, der Ersatzvermächtnisnehmer darf nicht vorverstorben sein. Andererseits ist es nicht erforderlich, dass der Ersatzvermächtnisnehmer bereits lebt oder gezeugt ist (§ 2178 BGB). Grundsätzlich ist es nicht erforderlich, dass der Ersatzvermächtnisnehmer den Zeitpunkt erlebt, in dem das Vermächtnis dem zunächst Bedachten anfällt. Wurde allerdings das Vermächtnis unter derselben aufschiebenden Bedingung dem Vermächtnisnehmer bzw. Ersatzvermächtnisnehmer zugewendet, ist die Ersatzberufung unwirksam, wenn der Ersatzvermächtnisnehmer vor dem Zeitpunkt verstorben ist und die Anwartschaft auf das Vermächtnis nicht vererblich war. Da das Ersatzvermächtnis im Falle des Wegfalls des zunächst Bedachten nicht mit dem Erbfall anfallen muss, fällt es – wenn der zunächst Bedachte unter einer aufschiebenden Bedingung eingesetzt war und diese ausfällt – auch bei dem Ersatzvermächtnisnehmer unter der aufschiebenden Bedingung an; d.h., es fällt durch den Ausfall der Bedingung für den ersten Vermächtnisnehmer an.
III. Bestimmung des Ersatzvermächtnisnehmers
Rz. 7
Der Ersatzvermächtnisnehmer ist durch den Erblasser zu bestimmen. Jede Person – auch die noch nicht gezeugte oder juristische Person (§ 2178 BGB) – kann zum Ersatzvermächtnisnehmer berufen werden. Dabei muss der zum Ersatzvermächtnisnehmer Berufene nur den Erbfall erleben, nicht aber auch den Wegfall des zunächst bedachten Vermächtnisnehmers (§ 2160 BGB). Fehlt eine eindeutige Bestimmung des Ersatzvermächtnisnehmers, sind die gesetzlichen Auslegungs- und Ergänzungsregeln zu beachten: Nach § 2069 BGB können im Zweifel die Abkömmlinge des zunächst Bedachten zum Vermächtnisnehmer berufen sein. Bestimmte der Erblasser nur einen Nachvermächtnisnehmer, somit keinen Ersatzvermächtnisnehmer, gilt der Nachvermächtnisnehmer im Zweifel auch zum Ersatzvermächtnisnehmer (§§ 2191 Abs. 2, 2102 Abs. 1 BGB) berufen. Es kommt auch eine Auslegung nach § 2084 BGB in Betracht. Auslegungsbedürftig kann bspw. die Frage sein, ob der Erblasser von einem Vermächtnis mit Anordnung eines Ersatzvermächtnisnehmers oder einem Vor- und Nachvermächtnis ausging.
IV. Anzuwendende Vorschriften
Rz. 8
Es gelten in entsprechender Anwendung die §§ 2097–2099 BGB, die für die Einsetzung eines Ersatzerben maßgebend sind. Ist ein Ersatzvermächtnisnehmer für den Fall eingesetzt, dass der zunächst berufene Vermächtnisnehmer nicht Vermächtnisnehmer sein kann oder sein ...