I. Grundsätzliches
Rz. 4
Das Nachvermächtnis entsteht aufgrund einer Anordnung des Erblassers in seiner letztwilligen Verfügung. Diese Anordnung kann ausdrücklich erfolgen. Sie kann sich aber auch durch die Auslegung des Erblasserwillens ergeben. Wurde bspw. den Ehegatten ein Vermächtnis zugewendet mit der Bestimmung, die Werte sollen einzeln den gemeinsamen Kindern "vererbt" werden und ein anderes Kind solle einen angemessenen Ausgleich erhalten, kann darin die Anordnung eines Nachvermächtnisses liegen. Die nach Abs. 2 anwendbaren §§ 2102 und 2107 BGB können jedoch auch gegen die Anordnung eines Nachvermächtnisses sprechen: Ist zweifelhaft, ob jemand als Ersatzvermächtnisnehmer oder als Nachvermächtnisnehmer eingesetzt ist, so gilt er als Ersatzvermächtnisnehmer (§ 2102 Abs. 2 BGB). Hat der Erblasser für einen Abkömmling, der zur Zeit der Errichtung der letztwilligen Verfügung keinen Abkömmling hat oder von dem der Erblasser zu dieser Zeit keine Kenntnis hat, für die Zeit nach dessen Tod einen Nachvermächtnisnehmer bestimmt, ist anzunehmen, dass der Nachvermächtnisnehmer nur für den Fall eingesetzt ist, dass der Abkömmling ohne Nachkommen stirbt (§ 2107 BGB). Hat der Erblasser allerdings einen zum Erben berufenen Abkömmling mit einem Vermächtnis beschwert, das erst bei dessen Tod fällig werden soll, ist § 2107 BGB nicht entsprechend anzuwenden.
Rz. 5
Ein Rückvermächtnis liegt vor, wenn im Rahmen eines Nachvermächtnisses nach Eintritt einer Bedingung oder Befristung der Vermächtnisnehmer den Vermächtnisgegenstand an den Beschwerten zurückzuübertragen hat.
Tritt die aufschiebende Bedingung ein, trifft den Vermächtnisnehmer die Verpflichtung, das Vermächtnis wieder an den Beschwerten zurückzuübertragen (schuldrechtliche Wirkung). Liegt dagegen eine auflösende Bedingung vor, kommt dieser eine schuldrechtliche Wirkung zu. Der Vermächtnisgegenstand fällt dann automatisch an den Beschwerten zurück. Der Bedachte ist in der Schwebezeit durch § 161 Abs. 2 BGB geschützt. Am Anspruch des Nachvermächtnisnehmers ändert sich auch nichts dadurch, dass der Erblasser bereits zu Lebzeiten das Vorvermächtnis erfüllt hat.
Rz. 6
Der schuldrechtliche Anspruch des Nachvermächtnisnehmers richtet sich gegen den Vorvermächtnisnehmer bzw. dessen Nachlass. Dies gilt unabhängig davon, ob dessen Vermächtnisanspruch erfüllt wurde oder der Erbe noch als Eigentümer des vermachten Grundstücks im Grundbuch eingetragen ist.
Rz. 7
Sofern der Nachvermächtnisnehmer das ihm zugewendete Vermächtnis ausschlägt, verbleibt es bei dem Vorvermächtnisnehmer, wenn nicht ein Ersatzvermächtnisnehmer oder Anwachsungsberechtigter vorhanden ist.
Ein Rückvermächtnis ist nicht gegeben, wenn der Erblasser das Vermächtnis auflösend bedingt oder auflösend befristet hat, ohne eine Bestimmung zu treffen, wer nach dem Eintritt der Bedingung oder des Endtermins den Gegenstand erhalten soll. In diesem Fall erwirbt der ursprünglich Beschwerte einen bereicherungsrechtlichen Anspruch (condictio ob causam finitam: § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 BGB).
II. Regelungsinhalt
Rz. 8
Regelungsinhalt des Nachvermächtnisses ist, dass ein zunächst einem anderen (nämlich dem Vorvermächtnisnehmer) vermachter Gegenstand von einem bestimmten Zeitpunkt oder Ereignis an einem Dritten (Nachvermächtnisnehmer) zugewendet ist. Der vermachte Gegenstand ist somit bei dem Vorvermächtnisnehmer und dem Nachvermächtnisnehmer identisch. An die erforderliche Identität sind aber keine zu strengen Anforderungen zu stellen. Bei einem Sachinbegriff (§ 92 Abs. 2 BGB), wie bspw. Warenlager, Bibliothek, Hausrat, Sammlung etc., ist eine völlige Identität nicht nötig. Eine Zugehörigkeit zum selben Sachinbegriff ist ausreichend. Bei einem Nachvermächtnis über eine Geldsumme ist die Identität gewahrt, wenn im Nachvermächtnis eine gleichhohe Summe zugewendet wird. Ein Nachvermächtnis, das auf den "Rest", d.h. auf das, was vom Vorvermächtnis beim Anfall des Nachvermächtnisses noch vorhanden ist, gerichtet ist, ist für die Identität des Nachvermächtnisses ausreichend.
Rz. 9
Das Nießbrauchsrecht kommt nicht als Gegenstand eines Nachvermächtnisses in Betracht. Dies ergibt sich daraus, dass das Nießbrauchsrecht ein nicht übertragbares, an die Lebzeit des Nießbrauchers gebundenes Recht ist (§§ 1059, 1061 BGB). Es kommt aber einer Neubestellung eines Nießbrauchs für den zweiten Vermächtnisnehmer in Betracht. Dabei ist der zeitliche Rahmen des § 2162 BGB zu beachten. § 2163 Abs. 1 Nr. 1 BGB ist hier weder direkt noch analog den Zeitraum verlängernd anwendbar; beschwert ist nicht der Vorvermächtnisnehmer, sondern der Erbe. Im Zweifel umfasst das Nachvermächtnis auch ei...