I. Umfang des Prozessführungsrechts
Rz. 4
Der Umfang des Prozessführungsrechts des Testamentsvollstreckers hängt vom Umfang seines Verwaltungsrechts ab. Zunächst ist daher zu prüfen, ob der Erblasser nach § 2208 BGB das Verwaltungsrecht des Testamentsvollstreckers eingeschränkt hat. Anderenfalls ist der Testamentsvollstrecker grundsätzlich zu jeder Art der gerichtlichen Geltendmachung des seiner Verwaltung unterliegenden Nachlasses berechtigt.
Dies sind z.B.:
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Erwirkung eines Mahn- oder Vollstreckungsbescheides |
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Antrag auf Arrest oder einstweilige Verfügung |
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Leistungsklagen |
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Feststellungsklagen (sofern nicht Feststellung des Erbrechts nach dem Erblasser; eine negative Feststellungsklage ist ein Passivprozess!) |
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Durchführung der Zwangsvollstreckung |
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Klagen i.R.d. Zwangsvollstreckung wie Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO |
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Antrag auf Teilungsversteigerung nach § 175 ZVG |
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Aufgebot der Nachlassgläubiger gem. § 991 Abs. 2 ZPO |
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Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gem. § 317 InsO |
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Forderungen des Erblassers gegen den oder die Erben |
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Verfahren in Grundbuchsachen |
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Klagen gegen Erbschaftsbesitzer nach §§ 2018, 2027, 2028, 2029 BGB |
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Patentnichtigkeitsklage |
Ein Testamentsvollstrecker kann aber weder im Wege der gewillkürten noch der gesetzlichen Prozessstandschaft vorgehen, wenn für das von ihm verfolgte, im Grundbuch eingetragene subjektivpersönliche Vorkaufsrecht eine Übertragbarkeit o.Ä. aus dem Grundbuch nicht ersichtlich ist. Die Verwaltung des Nachlasses erstreckt sich hingegen nicht auf Rechtsverhältnisse der Erben, die nicht zum Nachlass gehören, und namentlich auch nicht auf die Rechtsstellung des Erben in Bezug auf den Nachlass.
Rz. 5
Unterliegt der gesamte Nachlass der Testamentsvollstreckung, kann der Testamentsvollstrecker in dieser Eigenschaft auch den Erbschaftsanspruch geltend machen. Der Testamentsvollstrecker kann sowohl den ordentlichen Zivilrechtsweg als auch den Verwaltungsrechtsweg begehen. Gleiches gilt für das Schiedsverfahren, das finanzgerichtliche Verfahren (mit Einschränkungen, sofern Erbschaftsteuerbescheid nicht an Erben gerichtet ist) sowie das FamFG-Verfahren.
Rz. 6
I.R.d. Erbprozesses kann der Testamentsvollstrecker auch zur Abgabe von Verzichten, Anerkenntnissen und Vergleichen berechtigt sein. Ebenso ist die Erhebung einer Widerklage möglich.
Rz. 7
Sofern jedoch der Testamentsvollstrecker i.R.d. Prozesses verzichtet, anerkennt oder einen Vergleich abschließen will, sind auch die Anordnungen des Erblassers nach § 2208 BGB und das Schenkungsverbot nach § 2205 S. 3 BGB zu berücksichtigen. Verstößt der Testamentsvollstrecker gegen diese Anordnungen bzw. das Schenkungsverbot, tritt keine Verfahrensbeendigung ein. Nach der h.M. hat die Nichtigkeit auf der materiell-rechtlichen Seite Auswirkungen auf die prozessuale Seite mit der Folge, dass die Prozesshandlung unwirksam ist.
Rz. 8
Ist der Testamentsvollstrecker als Schiedsrichter zur Entscheidung eines Rechtsstreits berufen, an dem er selbst nicht beteiligt ist, ist eine derartige Einsetzung zulässig. Etwas anderes gilt nur dann, wenn sich der Gegenstand des Verfahrens auf seine Stellung als Testamentsvollstrecker bezieht. Ist der Testamentsvollstrecker gleichzeitig Schiedsrichter, ist die Durchführung des Schiedsverfahrens nicht Teil des Amts als Testamentsvollstrecker mit der Folge, dass diese Tätigkeit nicht durch die Testamentsvollstreckervergütung abgegolten ist.
Entgegen der h.M. kann die Entscheidung nach § 2227 BGB einem Schiedsgericht übertragen werden. Die Zuordnung des Entlassungsverfahrens zur freiwilligen Gerichtsbarkeit in der Sache ist zufällig. Die Beteiligten beherrschen in den "echten Streitsachen" der freiwilligen Gerichtsbarkeit das Verfahren ähnlich wie die Parteien des Zivilprozesses. Diese leiten es durch ihre Anträge ein und können es durch Antragsrücknahme beenden. Insofern ist eine Gleichbehandlung gerechtfertigt.
Rz. 9
Des Weiteren hat der Testamentsvollstrecker die Verjährungshemmung nach § 207 BGB zu beachten. Danach wird die Verjährung nicht vor Ablauf von sechs Monaten seit der Amtsannahme durch den Testamentsvollstrecker beendet, soweit der Anspruch der Testamentsvollstreckung unterliegt. Dies gilt sowohl zum Schutz des Nachlasses als auch zum Schutz der Gläubiger. Da § 2212 BGB nicht zwingend ist, kann der Erblasser im Rahmen seiner letztwilligen Anordnung das Prozessführungsrecht auch den Erben zuweisen nach § 2208 Abs. 1 S. 1 BGB. Hat der Erblasser beiden, dem Testamentsvollstrecker und den Erben, das Prozessführungsrecht übertragen, sind beide ausnahmsweise notwendige Streitgenossen nach § 62 Abs. 1 Alt. 2 ZPO.