Rz. 58
In der Lit. wird häufig die Entlastung als die Möglichkeit für den Testamentsvollstrecker erachtet, sich zu "enthaften". Die einzelnen Voraussetzungen hierfür werden jedoch nicht dargestellt. Ebenso wird häufig nur die Frage aufgeworfen, ob ein Anspruch auf Entlastung besteht. Die Entlastung des Testamentsvollstreckers spielt in der Praxis eine sehr große Rolle, zumal der Testamentsvollstrecker aufgrund der Verjährungsfrist des § 197 BGB 30 Jahre einer Haftung ausgesetzt sein kann. Die Entlastung des Testamentsvollstreckers ist die Billigung einer in der Vergangenheit liegenden Verwaltung durch den Testamentsvollstrecker. Sie ist nicht das Korrelat der Rechnungslegung und darf nicht über ihre Rechtsfolge erklärt werden. Vielmehr bedarf es einer strikten Trennung zwischen Rechtsnatur und Rechtsfolgen der Entlastung. Die Entlastung ist lediglich eine einseitige Erklärung ohne rechtsgeschäftlichen Charakter. Sie ist kein Vertrag oder geschäftsähnliche Erklärung, sondern eine bloße Tathandlung. Die Entlastung hat den Zweck der Schaffung von Rechtssicherheit und Rechtsklarheit. Sie hat Klarstellungs- sowie Abschluss- oder Abgrenzungsfunktion.
Rz. 59
Der Testamentsvollstrecker kann nicht nur vom Erben entlastet werden. Trotz des fehlenden Verweises in § 2218 BGB müssen auch weitere Personen eine Möglichkeit zur Entlastung haben, sofern sie von der Testamentsvollstreckung konkret betroffen sind. Dies ist neben dem Vermächtnisnehmer auch der Auflagenbegünstigte, sofern ihm ein Vermögensvorteil, wie bspw. im Rahmen einer Wertauflage, zugewendet wird. Gleiches gilt für den Erbteilserwerber und den Pfändungsgläubiger. Ebenso hat der Testamentsvollstreckernachfolger die Möglichkeit, seinen Vorgänger zu entlasten, ohne dass dies aber Auswirkungen auf Rechte der Erben haben kann.
Rz. 60
Ein Schweigen auf einen Auseinandersetzungsplan innerhalb einer angemessenen Frist kann nicht als Zustimmung aufzufassen sein. Ein bloßes Schweigen zum Plan würde nur dann als Zustimmung ausreichen, wenn der Erbe verpflichtet gewesen wäre, gegenüber dem Testamentsvollstrecker seinen ablehnenden Willen zu äußern. Eine derartige Pflicht des Erben besteht nicht. Mit der Zustimmung zum Auseinandersetzungsplan kann somit keine Entlastung verbunden sein. Eine rechtsgeschäftliche Deutung der Entlastung im Testamentsvollstreckerrecht ist nicht angezeigt. Rechtsfolge einer Entlastung ist nicht ein Verzichtsvertrag o.Ä. Vielmehr ist die Präklusionswirkung aus dem Verbot des widersprüchlichen Verhaltens herzuleiten. Für ein venire contra factum proprium bedarf es zunächst eines vertrauensbildenden Vorverhaltens der Erben bei der Entlastung des Testamentsvollstreckers. Dies geschieht regelmäßig durch eine ausdrückliche Entlastung durch die Erben, da hierdurch Vertrauen in die Abschlussfunktion der Entlastung beim Testamentsvollstrecker aufgebaut wird. Eine konkludente Entlastung ist entgegen der h.M. nicht möglich, da Grundlage einer Entlastung immer ein Beschluss sein muss. Eine Entlastung bedarf aktiven Handelns. Die Schutzwürdigkeit des Vertrauens des Testamentsvollstreckers bestimmt die Reichweite der Präklusion. Hat der Erbe trotz Kenntnis konkreter Ansprüche oder bei Erkennbarkeit von Pflichtverletzungen den Testamentsvollstrecker dennoch entlastet, kann er keine Ersatzansprüche mehr gegen ihn geltend machen. Ein Vertrauen auf die Abschlussfunktion der Entlastung kann sich hingegen nicht bei einer Entlastung unter Vorbehalt entwickeln. Als Korrektiv der Auswirkungen des venire contra factum proprium dient die Billigkeitskontrolle. Danach ist zu prüfen, ob dem Vertrauensschutz des Testamentsvollstreckers höherrangige Normen und Interessen entgegenstehen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn die Entlastungsfolge keine reine Binnenwirkung, sondern Außenwirkung hat, und bspw. Gläubiger der Erben durch die Entlastung benachteiligt würden.
Rz. 61
Die Erben sind nach der Entlastung mit Präklusionswirkung mit der Geltendmachung sämtlicher Ersatzansprüche ausgeschlossen. Hierunter fallen nicht nur Schadensersatzansprüche aus § 2219 BGB oder § 823 BGB, der Testamentsvollstrecker ist auch nicht mehr nach §§ 667, 2218 BGB verpflichtet, das aus der Geschäftsführung, aus einer Geschäftsführung ohne Auftrag oder aus ungerechtfertigter Bereicherung Erlangte herauszugeben. Ebenso verliert der Erbe die Möglichkeit, im Falle einer gesamtschuldnerischen Haftung zusammen mit dem Testamentsvollstrecker, von diesem im Innenverhältnis freigestellt zu werden.
Rz. 62
Ein Entlassungsantrag nach § 2227 BGB kann auch auf solche Gründe gestellt werden, die zeitlich vor dem Entlastungsbeschluss liegen. Das Gericht ist nicht an einen Entlastungsbeschluss der Erben gebunden. Die Entlastungsverweigerung ist nicht unbedingt ein Vertrauensentzug gegenüber dem Testamentsvollstrecker. Es bedarf dazu einer Einzelfallbetrachtung. Sie bleibt für den Testamentsvollstrecker auch folgenlos, sofern nicht gleichzeitig ein erfolgreicher Entlassungsantrag gestellt oder Ersatzansprüche gelt...