Gesetzestext
Der Erblasser kann den Testamentsvollstrecker nicht von den ihm nach den §§ 2215, 2216, 2218, 2219 obliegenden Verpflichtungen befreien.
A. Allgemeines
Rz. 1
Die Vorschrift des § 2220 BGB dient dem Schutz der Erben. Hierdurch soll erreicht werden, dass den Erben ein Mindestmaß an Rechten gegenüber dem Testamentsvollstrecker verbleibt. Demzufolge kann der Erblasser folgende Pflichten des Testamentsvollstreckers gegenüber dem Erben nicht zu dessen Ungunsten abändern:
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Erstellung und Mitteilung eines Nachlassverzeichnisses gem. § 2215 BGB; |
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ordnungsmäßige Verwaltung des Nachlasses sowie Befolgung von Anordnungen nach § 2216 BGB; |
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Auskunftserteilung gem. § 2218 BGB; |
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Rechnungslegung gem. § 666, 2218 BGB; |
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Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung (§§ 259, 260, 666, 2218 BGB); |
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Anzeige- und Fortführungspflicht gem. §§ 673 S. 2, 2218 BGB; |
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Herausgabepflicht des Nachlasses an den Erben (§§ 667, 2218 BGB); |
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Schadensersatzpflicht des Testamentsvollstreckers (§ 2219 BGB); |
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Reduzierung des Haftungsmaßstabs auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit. |
Rz. 2
Zulässig sind hingegen Anordnungen an den Testamentsvollstrecker zur Überlassung von Nachlassgegenständen entgegen den Voraussetzungen des § 2217 BGB.
B. Tatbestand/Rechtsfolgen
I. Besonderheiten des Befreiungsverbotes
Rz. 3
Der Erbe darf in keiner Weise gehindert werden, seine Rechte aus §§ 2215, 2216, 2218 und 2219 BGB durchzusetzen. Eine Bindung des Erben durch den Erblasser, dass die Ausübung der Rechte an die Entscheidung eines Dritten oder eines Schiedsgerichts gebunden ist, ist unwirksam. Gewisse Einschränkungen in Form von Modifikationen der Rechenschaftspflicht können jedoch im gewissen Umfang zulässig sein. Im Einzelnen kommt es darauf an, ob der Schutzzweck des § 2220 BGB ausgehöhlt wird. Etwaige Gruppenvertretungsklauseln, bei denen lediglich ein Erbe aus der Erbengemeinschaft als gemeinsamer Vertreter die Rechte gegenüber dem Testamentsvollstrecker wahrnehmen muss, sind immer dann zulässig, wenn der Erblasser lediglich allg. eine Vertretung anordnet, so dass die Erben "mit einer Zunge" reden können. Unzulässig ist hingegen, wenn der Erblasser von vornherein lediglich einen ganz bestimmten Vertreter der Erben zulässt.
Rz. 4
Sog. Befreiungsvermächtnisse (legatum liberationis) sind ebenfalls unwirksam. Es ist somit nicht möglich, dem Testamentsvollstrecker einen Anspruch auf Erlass von Schadensersatzforderungen zuzuwenden. Der Erbe kann selbst nach Eintritt des Erbfalls insgesamt auf seinen Schutz aus § 2220 BGB verzichten. Da ein Schadensersatzanspruch in den Nachlass fällt, kann ein Verzicht lediglich durch die Erbengemeinschaft insgesamt erfolgen. Eine einzelne Verzichtserklärung kann die Erbengemeinschaft nicht binden (§ 2040 Abs. 1 BGB).
II. Rechtsfolgen eines Verstoßes
Rz. 5
Etwaige Erblasseranordnungen, die gegen das Befreiungsverbot verstoßen, sind insgesamt wegen § 125 BGB unwirksam. Hierdurch wird das Testament oder die Testamentsvollstreckungsanordnung jedoch nicht berührt.
C. Verfahrensfragen/Praktische Hinweise
Rz. 6
Da ein Befreiungsvermächtnis nicht möglich ist, bietet sich die Möglichkeit an, in die letztwillige Verfügung eine Regelung aufzunehmen, wonach der Testamentsvollstrecker einen Aufwendungsersatzanspruch auf Zahlung einer Vermögensschadenhaftpflichtversicherung ohne Auswirkung auf seine Vergütung hat. Neben den in § 2020 BGB genannten Vorschriften bestehen noch weitere gesetzliche Befreiungsverbote, wie das Verbot der unentgeltlichen Verfügung nach § 2205 S. 3 BGB. Durch Auslegung ist zu ermitteln, ob der Erblasser den Testamentsvollstrecker ggf. zum befreiten Vorerben und den formalen Erben nur zum Nacherben auf den Überrest einsetzen wollte.
Rz. 7
Problematisch sind die Fälle, bei denen der Erblasser versucht, die Vorschrift des § 2220 BGB zu umgehen, indem er anordnet, dass die Erben ihre Erbenstellung verlieren, wenn sie die Entlassung des Testamentsvollstreckers nach § 2227 BGB beantragen. Werden die Erben übermäßig in ihrer Rechtsstellung beschränkt, kann dies die Nichtigkeit der Bedingung wegen Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB zur Folge haben. Hierbei kommt es jedoch auf den Einzelfall an. Der Mandant ist auf die Problematik der Umgehung hinzuweisen.