Dr. iur. Sebastian Trappe, Dr. iur. Pierre Plottek
I. Altersgrenze der Testierfähigkeit (Testiermündigkeit)
Rz. 7
Abs. 1 knüpft die Testierfähigkeit an die Vollendung des 16. Lebensjahres. Mit diesem Zeitpunkt tritt die sog. Testiermündigkeit ein. Jüngere Minderjährige sind schlechthin testierunfähig, mögen sie im Einzelfall nach ihrer geistigen und sittlichen Entwicklung auch durchaus zur Errichtung eines eigenen Testaments befähigt sein. Ein vor diesem Zeitpunkt errichtetes Testament ist daher unheilbar nichtig und kann auch nicht durch nachträgliche Genehmigung wirksam werden. Bei der Berechnung des Alters ist der Tag der Geburt mitzurechnen (§ 187 Abs. 2 BGB). Dies bedeutet, dass man am Tag seines 16. Geburtstages testierfähig ist.
Rz. 8
Allerdings kann der Minderjährige zwischen dem 16. und 18. Lebensjahr trotz der vorgegebenen allg. Testierfähigkeit nicht frei zwischen den einzelnen Testamentsformen wählen, sondern ist insoweit Beschränkungen unterworfen. Daher kann er sein Testament nur wirksam als öffentliches Testament durch mündliche Erklärung oder durch Übergabe einer offenen Schrift zur Niederschrift einer Amtsperson errichten (§§ 2233 Abs. 1, 2247 Abs. 4, 2249 Abs. 1, 2250 Abs. 1 BGB), während ihm der Weg eines privatschriftlichen Testaments oder des Dreizeugentestaments verwehrt bleibt. Dadurch wird eine ausreichende Belehrung wegen § 17 BeurkG gesichert und so den sich aus der Herabsetzung der Altersanforderung ergebenden Gefahren begegnet. Damit führt die noch immer vorliegende nur beschränkte Geschäftsfähigkeit der 16- bis 18-Jährigen im Testamentsrecht nicht zu einer materiell-rechtlichen Einschränkung der Rechtsmacht, sondern bewirkt nur den Ausschluss besonderer Errichtungsformen.
Rz. 9
Daraus ergibt sich folgende rein altersabhängige Stufenform der Testierfähigkeit:
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testierunfähig sind Personen, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet haben |
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grundsätzlich testierfähig, aber in der Wahl der zulässigen Errichtungsformen eingeschränkt sind die beschränkt geschäftsfähigen Personen zwischen der Vollendung des 16. und des 18. Lebensjahres; |
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unbeschränkt testierfähig sind Personen ab der Vollendung des 18. Lebensjahres |
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zu beachten sind allerdings die Beschränkungen aus § 2233 BGB. |
II. Krankhafte Störung der Geistestätigkeit
1. Allgemein
Rz. 10
Gemäß § 2229 Abs. 4 BGB sind Personen testierunfähig, die wegen krankhafter Störung der Geistestätigkeit, Geistesschwäche oder Bewusstseinsstörung nicht in der Lage sind, die Bedeutung einer von ihnen abgegebenen Willenserklärung einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln. Aufgrund welcher Ursache die Testierfähigkeit besteht oder eingetreten ist, ist unerheblich. Sie kann angeboren, durch Krankheit oder Unfall verursacht sein, als reversible geistige oder seelische Veränderung auftreten oder vorübergehend auf der Einnahme von Medikamenten beruhen.
Rz. 11
Die für den Einzelfall festzustellende Testierunfähigkeit nach Abs. 4 erfordert das kumulative Vorliegen folgender drei Tatbestandsmerkmale:
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krankhafte Störung der Geistestätigkeit, Geistesschwäche oder Bewusstseinsstörung des Testierenden (= geistige Insuffizienz) |
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Unfähigkeit, die Bedeutung der mit der letztwilligen Verfügung abgegebenen Willenserklärung zu erkennen (= kognitives Element) |
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diese Unfähigkeit muss auf der zuerst genannten geistigen Insuffizienz beruhen (= Kausalität). |
Rz. 12
Die Annahme einer Testierunfähigkeit nach Abs. 4 muss jedoch als Ausnahmefall von dem allg. Grundsatz aufgefasst werden, dass jeder, der das nach § 2229 Abs. 1 BGB vorgegebene Mindestalter erreicht hat, so lange als testierfähig gilt, bis das Gegenteil zur vollen Gewissheit des Gerichts bewiesen ist.
2. Geistige Insuffizienz
a) Krankhafte Störung der Geistestätigkeit und Geistesschwäche
Rz. 13
Zwischen der krankhaften Störung der Geistestätigkeit als Oberbegriff und der Geistesschwäche besteht nach h.M. ein gradueller Unterschied, ohne dass ein zuverlässiges Unterscheidungsmerkmal zwischen beiden benannt werden könnte.
Im Folgenden kann daher nur ein Überblick über solche Krankheitsbilder gegeben werden, die bislang schon als zur Testierunfähigkeit führend anerkannt werden, wobei es auch insoweit bzgl. Schweregrad und Einstufung letztlich auf das Gesamtbild der Persönlichkeit im Einzelfall ankommt, so dass diese Auflistung kaum mehr als eine grobe Orientierungshilfe bieten kann:
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altersbedingte Arteriosklerose (Zerebralsklerose); |
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degenerative Demenz (Demenz vom Alzheimer-Typ, der etwa 64 % aller Demenzen zuzuordnen sind) in seinen mittelschweren und schweren Ausprägungsformen; |
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vaskuläre Demenz, neben Alzheimer die häufigste Demenzerkrankung (sie wird durch einzelne oder mul... |