Dr. iur. Sebastian Trappe, Dr. iur. Pierre Plottek
I. Prüfung von Amts wegen
1. Notar
Rz. 34
Das Vorliegen der Testierfähigkeit ist stets von Amts wegen zu prüfen. Die Urkundsperson ist daher verpflichtet, sich vor der Beurkundung einer letztwilligen Verfügung von der Testierfähigkeit des Erblassers und der konkreten Testierfreiheit hinsichtlich der gewünschten Art der letztwilligen Verfügung zu überzeugen. Grundsätzlich genügt die Urkundsperson ihren Pflichten durch eine entsprechende Befragung des Erblassers und seine entsprechenden eigenen Wahrnehmungen. Dies verwundert etwas, weil nirgendwo klargestellt wird, wie ein Notar als medizinischer Laie diese Prüfung des psychisch-geistigen Zustandes des Testierenden vornehmen soll. Dazu wird zurzeit diskutiert, den in der Psychologie und Psychiatrie zur Feststellung von Demenzerkrankungen entwickelten Min-Mental-Status-Test und den Uhren-Zeichentest in die notarielle Praxis zu integrieren. Dem ist aus juristischer Sicht allerdings entgegenzuhalten, dass dies überflüssig erscheint, da dem Notar insoweit ja gerade keine Entscheidungskompetenz zukommt und aus psychologischer Sicht, dass die Gefahr falscher Schlussfolgerungen durch den insoweit nicht geschulten Notar größer als der zu erwartende Nutzen sei.
Rz. 35
Der Notar hat seine entsprechenden Wahrnehmungen in der Niederschrift zu vermerken (§ 28 BeurkG) und die Beteiligten entsprechend zu belehren (§ 17 Abs. 2 S. 1 BeurkG). An diese Notizen der Urkundsperson ist das Gericht nicht gebunden, sie dienen lediglich als weiteres Indiz bei der erforderlichen richterlichen Überzeugungsbildung. Beweiskraft erlangen insoweit aber die von der Urkundsperson angegebenen Tatsachen i.S.v. § 418 ZPO. Fehlen entsprechende Vermerke der Urkundsperson zu deren Wahrnehmungen in der Niederschrift, so führt dies nicht zur Ungültigkeit des Testaments. Fehlt demjenigen, der ein Testament errichten möchte, nach der Überzeugung des Notars diese Testierfähigkeit, so soll die Beurkundung abgelehnt werden (§ 11 Abs. 1 BeurkG).
Rz. 36
In Zweifelsfällen ist die Beiziehung von Vormundschafts-, Betreuungs- und Nachlassakten zu empfehlen und ein Gespräch mit Verwandten anzuraten.
2. Richterliche Feststellung
Rz. 37
Die Frage, ob die Voraussetzungen der Testierfähigkeit i.S.v. § 2229 BGB gegeben sind, ist im Wesentlichen tatsächlicher Natur. Das Rechtsmittelgericht hat die dahingehenden Feststellungen der Vorinstanz daher nur daraufhin zu überprüfen, ob dieses Verfahrensvorschriften verletzt, den maßgebenden Sachverhalt ausreichend erforscht und bei der Erörterung des Beweisstoffes alle wesentlichen Umstände berücksichtigt und hierbei nicht gegen gesetzliche Beweisregeln, Denk- oder feststehende Erfahrungssätze verstoßen hat sowie, ob die Beweisanforderungen vernachlässigt oder überspannt worden sind.
3. Erbscheinsverfahren
Rz. 38
Auch im Erbscheinsverfahren erfolgt die Prüfung der Testierfähigkeit gem. § 2338 BGB i.V.m. § 26 FamFG zwar von Amts wegen. Jedoch ist von dieser als Regelfall auszugehen, so dass eine entsprechende gerichtliche Ermittlungspflicht nur besteht, wenn etwa das Vorbringen der Beteiligten, der Inhalt oder die äußere Form der letztwilligen Verfügung oder andere objektivierbare Tatsachen berechtigten Anlass zu Zweifeln an der Testierfähigkeit geben. Bloße Vermutungen oder Wahrscheinlichkeitsurteile aus möglichen Krankheitsbildern ohne Anknüpfung an auffälliges symptomatisches Verhalten des Erblassers im zeitlichen Zusammenhang mit der Testamentserrichtung reichen nicht aus. Die Beteiligten haben daher in ihrem eigenen Interesse solche objektivierbaren Umstände vorzutragen, die das Fehlen der Testierfähigkeit als wahrscheinlich erscheinen lassen. Art und Umfang der dazu erforderlichen Ermittlungen richten sich nach der Lage des Einzelfalls, der Tatrichter entscheidet nach pflichtgemäßem Ermessen, ohne an Beweisanträge gebunden zu sein. Stellt allerdings bereits der die letztwillige Verfügung beurkundende Notar fest, dass Zweifel an der Geschäftsfähigkeit des Testierenden bestehen, so hat das Nachlassgericht hierzu nähere Ermittlungen anzustellen. Bei nicht behebbaren Zweifeln muss auch hier von der Testierfähigkeit ausgegangen werden.