I. Grundsatz: materiell-rechtliche Gleichheit

 

Rz. 22

Da die beiden Testamentsformen durch § 2231 BGB ausdrücklich als gleichwertig bestimmt werden, kann ein Privattestament durch ein öffentliches Testament aufgehoben werden und umgekehrt. Auch kann in einem wegen Ungültigkeit der notariellen Urkunde nichtigen öffentlichen Testament ein vollwirksames privatschriftliches Testament enthalten sein.[8] Dennoch besteht aber für die Erblasser keine völlig unbegrenzte Wahlfreiheit zwischen beiden Testamentsformen. Vielmehr sind einige wenige Einschränkungen zu beachten. So kann ein testierfähiger Minderjähriger (vgl. § 2229 Abs. 1 BGB) nur öffentliche Testamente errichten; Gleiches gilt für diejenigen, die Geschriebenes nicht zu lesen verstehen (vgl. dazu näher bei § 2233 BGB).

[8] H.M., vgl. statt vieler nur MüKo/Hagena, § 2231 Rn 29; Soergel/Mayer, § 2231 Rn 3 je m.w.N.; BGH BWNotZ 1965, 128.

II. Faktische Ungleichheit

 

Rz. 23

Hinsichtlich ihrer formalen Wirkung mit Blick auf die Möglichkeiten der Rechtsdurchsetzung unterscheiden sich beide Testamentsformen erheblich, weil dem öffentlichen Testament mittelbar viel weitreichendere Wirkungen zukommen. Denn nur das öffentliche Testament ist zugleich öffentliche Urkunde i.S.v. §§ 415, 418 ZPO[9] und erbringt damit vollen Beweis hinsichtlich Zeit (wichtig wegen § 2247 Abs. 5 BGB) und Ort der Errichtung und der wiedergegebenen Umstände des Beurkundungsvorgangs sowie der Identität der erklärenden Person.[10]

 

Rz. 24

Dies hat insbesondere bei der erbfolgebedingten Grundbuchberichtigung (vgl. § 35 Abs. 1 S. 2 GBO) und für den Nachweis der Erbfolge bei Handelsregisteranmeldungen (vgl. § 12 Abs. 2 S. 2 HGB), verfahrens- und kostenrechtliche Vorteile,[11] weil es im Regelfall gem. § 2248 BGB, § 34 BeurkG die Vorlage eines Erbscheins erspart.[12] Vielmehr reicht bei namentlicher Erbeinsetzung in öffentlichen Testamenten die Vorlage der beglaubigten Abschrift des Eröffnungsprotokolls nebst Testament als Anlage zur Berichtigung von öffentlichen Büchern und Registern aus.[13] Lediglich bei der Eintragung der Hoferbfolge im Grundbuch bei einem Hof i.S.d. HöfeO muss das Grundbuchamt dennoch die Vorlage eines Erbscheins oder eines Hoffolgezeugnisses verlangen, wenn die Wirtschaftsfähigkeit des Hoferben gem. § 6 Abs. 1, 6 HöfeO nicht offenkundig und durch feststellenden Bescheid des Landwirtschaftsgerichts nachgewiesen ist.[14] Auch bei Spar- und Wertpapierguthaben kann nach den einschlägigen AGB der Banken und Sparkassen bei Vorliegen eines öffentlichen Testaments auf die ergänzende Vorlage eines Erbscheins verzichtet werden.[15]

[10] LG Berlin DNotZ 1963, 250, 251.
[11] Vgl. hierzu Langel, NJW 2017, 3617; Sikora, NJW 2018, 1572 f.; Blusz, ZErb 2016, 221.
[12] Zu seltenen Ausnahmen vgl. Soergel/Mayer, § 2231 Rn 5.
[13] BayObLG NJW-RR 1987, 266 f.; vgl. zudem BGH ZEV 2005, 388 = NJW 2005, 2779; OLG Bremen NJW-RR 2014, 816; OLG Frankfurt NJW-RR 2018, 902.
[14] Vgl. Wöhrmann, Landwirtschaftserbrecht, 11. Aufl. 2018, A. Höferecht § 18 Rn 48; so auch OLG Oldenburg Rpfleger 1984, 13, 14.
[15] Haaser, ErbR 2014, 313 ff.; Tersteegen, RNotZ 2014, 98; Bonefeld, ZErb 2014, 157; Keim, ZEV 2014, 277; Soergel/Mayer, § 2231 Rn 6; kritisch Voit, in: Reimann/Bengel/Mayer, § 2231 Rn 5; zur Unzulässigkeit des generellen Verlangens eines Erbscheins siehe BGH ZEV 2016, 320.

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