Dr. iur. Sebastian Trappe, Dr. iur. Pierre Plottek
a) Übergabe
Rz. 29
Haupterfordernis dieser Form der Errichtung eines öffentlichen Testaments ist neben der Erklärung, die bezeichnete Schrift enthalte den letzten Willen des Erblassers, die Übergabe der Schrift selbst. Hierzu genügt weder der Hinweis auf einen anderen Ort, an dem sich die Schrift befindet, noch auf eine dritte Person, die im Besitz der Schrift sei. Erforderlich ist vielmehr der Wechsel des unmittelbaren Besitzes auf Veranlassung des Erblassers an die Urkundsperson. Damit muss das Schriftstück bei dem Übergabeakt jedenfalls körperlich zugegen sein. Allerdings ist keine sachenrechtlich strenge Übergabe von Hand des Erblassers zur Hand des Notars erforderlich. So genügt es, wenn der Notar die im Raum befindliche Schrift mitnimmt oder diese ihm zuvor zugegangene Schrift schon mitbringt und sie dem Erblasser mit der Frage vorzeigt, ob der Erblasser sie hiermit als letzten Willen dem Notar übergebe und der Erblasser dies bejaht.
b) Schrift
aa) Art der Schrift
Rz. 30
Die zu übergebende Schrift kann offen oder verschlossen sein. Lediglich ein Minderjähriger kann sich insoweit nicht frei entscheiden, sondern wegen der Sperrwirkung von § 2233 Abs. 1 BGB nur durch Übergabe einer offenen Schrift testieren. Daraus folgt zwingend, dass jedenfalls der Notar keine Kenntnis vom Inhalt der verschlossenen Schrift haben und diese oder ihre Schriftzeichen weder lesen, verstehen noch entziffern können muss. In diesem Fall hat er den Erblasser über die Folgen der Unwirksamkeit der Verfügung dann zu beraten, wenn sich Anhaltspunkte hierzu aus den Erörterungen mit dem Erblasser ergeben.
Rz. 31
Vom Inhalt einer überreichten offenen Schrift hingegen hat der Notar nach § 17 BeurkG Kenntnis zu nehmen und den Erblasser zu beraten.
Rz. 32
Str. ist dagegen, ob der Erblasser Kenntnis vom Inhalt der übergebenen Schrift haben muss. Soweit man dies jedoch verneint, handelt es sich nicht mehr um die Erklärung des letzten Willens des Erblassers, so dass von einem Testament nicht mehr gesprochen werden kann. Man wird diesen Fall so zu behandeln haben, als sei er leseunfähig und damit nicht in der Lage, analog § 2233 Abs. 2 BGB durch Übergabe einer Schrift in dieser Sprache zu testieren. Stellt der Notar daher fest, dass der Erblasser keine Kenntnis vom Inhalt der übergebenen Schrift hat bzw. deren Sprache oder Schriftzeichen nicht versteht, ist von einer Beurkundung abzusehen. Richtig an der Gegenansicht ist daher nur, dass der Notar sich von der Kenntnis des Erblassers vom Inhalt der Schrift nicht überzeugen muss, sondern dass es ausreicht, wenn der Erblasser die entsprechende Kenntnis bestätigt oder auch nur die Möglichkeit einer (erneuten) Einsichtnahme hat.
bb) Schriftform
Rz. 33
Aus dem zuvor Gesagten ergibt sich ebenso, dass eine eigenhändige Ausfertigung der Schrift durch den Erblasser nicht erforderlich ist, was durch S. 2 Hs. 2 im Gesetzestext auch nochmals eindeutig betont wird. Ebenso sind Maschinenschrift, Blindenschrift oder sonst fremde Schriftzeichen grundsätzlich zulässig, solange nur der Erblasser diese Schrift lesen kann und ihre Bedeutung versteht.
Rz. 34
Ob dies auch für sog. Geheimschriften gilt, ist indes zweifelhaft. Zumindest wird man aus dem Sinn der Testamentserrichtung fordern müssen, dass die Übersetzungsmittel mitgeliefert werden. Die Schrift kann auf jedem beliebigen Material errichtet werden; je ungewöhnlicher dieses sich jedoch darstellt, umso genauer ist der Testierwille des Erblassers zu hinterfragen.
cc) Weiterer Umgang
Rz. 35
Mit der Übergabe der Schrift an den Notar wird diese Bestandteil des Testaments und damit der öffentlichen Urkunde selbst, nicht der Niederschrift. Gem. § 30 Abs. 1 S. 2 BeurkG soll die Schrift so bezeichnet werden, dass eine Verwechslung ausgeschlossen ist und sodann mit der Niederschrift und den Anlagen in einen Umschlag getan und mit dem Prägesiegel verschlossen werden (§§ 30 S. 5, 34 BeurkG). Die Nichtbeachtung dieser Soll-Vorschriften hat auf die Wirksamkeit des Testaments allerdings keinen Einfluss. Mehrere gleichzeitig überreichte Schriften gelten als einheitlich im Augenblick der Übergabe übergeben, auch wenn sie unterschiedliche Daten tragen. Daraus folgt, dass sie sich bei widersprechendem Inhalt gegenseitig aufheben. Empfehlenswert erscheint zusätzlich auch ein Vermerk in der Niederschrift, dass der Erblasser dahingehend belehrt wurde, dass der Notar weder in dem Testament selbst bedacht noch zum Testamentsvollstrecker eingesetzt worden s...