Dr. iur. Sebastian Trappe, Dr. iur. Pierre Plottek
I. Beschränkungen wegen Minderjährigkeit (Abs. 1)
Rz. 2
Da die Testierfähigkeit gem. § 2229 Abs. 1 BGB bereits mit der Vollendung des 16. Lebensjahres eintritt und damit nicht mit der allg. Geschäftsfähigkeit zusammenfällt, gibt es testierfähige Minderjährige. Während dies heute nur diejenigen betrifft, die zwar das 16. (§ 2229 Abs. 1 BGB), nicht aber auch schon das 18. Lebensjahr (§ 2 BGB) vollendet haben, ist insoweit für Testamente, die vor dem 1.1.1975 errichtet worden sind, besonders zu beachten, dass damals die Volljährigkeitsgrenze erst mit Vollendung des 21. Lebensjahres erreicht war. Dies bedeutet, dass deren Testamente in privatschriftlicher Form oder durch Übergabe einer verschlossenen Schrift nur dann wirksam sind, wenn sie aufgrund der damaligen §§ 3–5 BGB durch Gerichtsbeschluss für volljährig erklärt waren.
Rz. 3
Grundsätzlich aber geht der Gesetzgeber davon aus, dass Minderjährige hinsichtlich ihrer Testiermöglichkeiten der Beratung und des Schutzes bedürfen und schränkt damit deren Testierfreiheit dahingehend ein, dass ihnen nur solche Testamentsformen offenstehen, bei denen eine entsprechende Beratung gewährleistet ist. Dies sind die beiden öffentlichen Testamentsformen der Erklärung gegenüber einem Notar oder der Übergabe einer offenen Schrift an den Notar. Ausgeschlossen bleiben damit das öffentliche Testament durch Übergabe einer verschlossenen Schrift (§ 2233 Abs. 1 BGB), das privatschriftliche Testament nach § 2247 Abs. 4 BGB sowie nach bestrittener Ansicht auch das Nottestament vor drei Zeugen, da auch hier keine ausreichende sichernde Beratung gewährleistet ist. Ein Verstoß hiergegen hat die Nichtigkeit des Testaments zur Folge. Einer Einwilligung des gesetzlichen Vertreters bedarf es nach § 2229 Abs. 2 BGB ebenso wenig wie der familiengerichtlichen Genehmigung. Ein privatschriftliches Testament, das dem Notar in verschlossener Schrift mit der Erklärung des Minderjährigen übergeben wurde, es enthalte seinen letzten Willen, wird auch dann nicht mit Erreichung der Volljährigkeitsgrenze wirksam, wenn dieses den Erfordernissen des § 2247 BGB entspricht. Ansonsten nämlich würde der Schutzzweck des § 2233 Abs. 1 BGB, wonach ein Minderjähriger nur mit notarieller Beratung von Todes wegen verfügen können soll, unterlaufen. Daher kommt es auch insoweit allein auf den Zeitpunkt der Errichtung an.
II. Unfähigkeit, Geschriebenes zu lesen (Abs. 2)
Rz. 4
Die Unfähigkeit, Geschriebenes lesen zu können oder eine entsprechende Überzeugung des Notars hinsichtlich des Testierenden schließt für diesen nach Abs. 2 die Möglichkeit aus, ein öffentliches Testament durch Übergabe einer Schrift zu errichten. Denn wer schriftlich testieren will, muss zumindest im Stande sein, sich durch eigenes Lesen Kenntnis vom Inhalt der Schrift zu verschaffen. Verlangt wird insoweit abstraktes Lesevermögen, d.h. die Fähigkeit, den Sinn des Geschriebenen erfassen zu können. Die Ursache für diese Leseunfähigkeit, sei es nun Blindheit, hochgradige Geistesschwäche, schwere Beeinträchtigung der Sehkraft (auch vorübergehend), Analphabetismus usw., ist unerheblich.
Rz. 5
Dem gleich steht auch derjenige Testierer, der die Sprache nicht versteht, in der die Schrift verfasst ist. Des Lesens unkundig ist auch der Blinde, soweit er die Blindenschrift nicht beherrscht, während umgekehrt die Fähigkeit, Texte in Blindenschrift erfassen zu können, dazu führt, dass diese "so Geschriebenes" lesen und daher durch Übergabe einer in Blindenschrift verfassten Urkunde auch testieren können. Beherrscht der Notar die Blindenschrift nicht, so soll er dies in der Niederschrift vermerken, damit deutlich wird, dass die Rechtslage in diesem Falle derjenigen bei Übergabe einer verschlossenen Schrift entspricht.
Hat der Erblasser zur Überzeugung des Notars verschwiegen, dass er nicht lesen kann und hielt ihn der Notar für des Lesens kundig, so ist das Testament grds. voll wirksam. Dies gilt selbst noch bei grober Fahrlässigkeit des Notars. Wer sich darauf beruft, dass der Erblasser unfähig sei, Geschriebenes zu lesen, ist dafür beweispflichtig. Es genügt allerdings, wenn sich der Erblasser selbst als leseunfähig bezeichnet; hieran ist der Notar gebunden. Diese Erklärung ist deshalb jetzt nach § 22 Abs. 1 S. 3 BeurkG n.F. in die Niederschrift aufzunehmen.