I. Vernichtung
Rz. 3
Das Tatbestandsmerkmal Vernichtung setzt voraus, dass die Testamentsurkunde durch Zerreißen, Zerschneiden oder durch sonstige Eingriffe auf die Substanz der Urkunde vollständig zerstört wird. Kommt es nicht zu einer vollständigen Zerstörung, sondern nur zu einer teilweisen Vernichtung der Urkunde, weil bspw. nur eine bestimmte Stelle aus dem Testament herausgerissen wurde, liegt keine Vernichtung vor, sondern allenfalls eine Veränderung. Ebenso wenig sind ein Verlust der Testamentsurkunde oder eine Nichtauffindbarkeit eine Vernichtung i.S.d. § 2255 BGB, auch nicht die formlose Billigung eines Verlustes. Ein verlorenes Testament kann daher nur durch ein Widerrufstestament nach § 2254 BGB oder ein widersprechendes Testament nach § 2258 BGB widerrufen werden.
II. Veränderung
Rz. 4
Die Veränderung einer letztwilligen Verfügung ist ein Eingriff in die Schrift eines Testaments, ohne die Urkunde insgesamt zu zerstören. Im Verhältnis zur Vernichtung einer Testamentsurkunde muss der Eingriff aus objektiver Sicht den Widerrufswillen des Erblassers widerspiegeln. Bejaht wird eine Anwendung von § 2255 BGB danach, wenn der Erblasser Texte durchstreicht, unleserlich macht, wegradiert oder einreißt. Gleiches gilt, wenn er wesentliche Teile des Textes oder die Unterschrift wegschneidet oder wenn er das Testament zerknüllt. Im Zweifelsfall ist jedoch die Frage der Formwirksamkeit von der Frage des Beweiswerts eines Testaments abzugrenzen. Keine Veränderung ist hingegen, wenn das Testament ohne es zu zerknüllen weggeworfen wird. Streicht ein Erblasser den Text seines Testaments und zusätzlich seine Unterschrift komplett durch, so ist davon auszugehen, dass er diese Verfügung widerrufen hat. Das widerrufene Testament kann jedoch zur Auslegung eines späteren, unvollständig gebliebenen Testaments herangezogen werden, wenn der Erblasser dieses Testament gemeinsam mit dem widerrufenen Testament in einem Umschlag verschlossen und aufbewahrt hat. Werden lediglich einzelne Textstellen gestrichen, so führt dies nicht zwingend zum Widerruf der gesamten letztwilligen Verfügung. Bei nicht eigenhändig unterschriebenen Streichungen oder Entwertungsvermerken (ungültig, veraltet etc.) ist zu prüfen, ob sie aus objektiver Sicht den Widerrufswillen der letztwilligen Verfügung bekunden. Ist der Entwertungsvermerk bspw. quer über den gesamten Text geschrieben, so ist von einem Widerruf auszugehen. Gleiches gilt, wenn sich der Ungültigkeitsvermerk am Rande der Urkunde befindet und den Widerrufswillen deutlich erkennbar macht. Ist hingegen ein Entwertungsvermerk lediglich auf dem Umschlag angebracht, in dem sich das Testament befindet, so genügt dies für einen Widerruf nicht, es sei denn, er ist in handschriftlicher Form geschrieben und mit Unterschrift versehen, so dass er einen Widerruf nach § 2254 BGB darstellt.