I. Kosten
Rz. 8
Sofern dem Besitzer bzw. der anderen Behörde i.S.d. § 2259 BGB Kosten entstehen, sind diese von dem Erben zu ersetzen, da es sich um eine Nachlassverbindlichkeit i.S.d. § 1967 BGB handelt. Die Nachfolgevorschrift des alten, das Zwangsgeld betreffenden § 119 KostO findet sich in Hauptabschnitt 7 ("Besondere Gebühren") des GNotKG, dort unter KV Nr. 17006. Danach fallen bei Anordnung von Zwangsmaßnahmen durch Beschluss nach § 35 FamFG pro Anordnung je 20 EUR an. Ist jemand im Besitz eines Schriftstückes, dessen Eigenschaft als Testament nahe liegt, so ist er gesetzlich verpflichtet, dieses abzuliefern. Unterlässt er dies und kommt es zu einem von Anfang an unbegründeten Erbscheinsverfahren, so muss er die Kosten dieses Verfahrens tragen.
II. Praktische Durchführung
Rz. 9
Es ist nicht zwingend, dass das Testament bei dem nach §§ 343, 344 FamFG zuständigen Nachlassgericht abgeliefert wird. Um seine Ablieferungspflicht zu erfüllen, ist es ausreichend, es beim nächstgelegenen AG abzuliefern. Der Erblasser kann wegen § 2263 BGB die Ablieferungspflicht nicht durch eine anderweitige Anordnung verhindern.
Rz. 10
Weigert sich der Besitzer, das Testament abzuliefern, so erlässt der Rechtspfleger gem. §§ 35, 358 FamFG eine Ablieferungsanordnung, wonach das Testament unverzüglich, spätestens aber binnen einer bestimmten Frist beim Nachlassgericht abzuliefern ist. Weigert sich der Testamentsbesitzer weiterhin, kann das AG die Ablieferung des Testaments von Amts wegen nach Ablauf der Frist in der Ablieferungsanordnung nach Maßgabe der §§ 35, 87, 90, 92 Abs. 2, 95, 358 FamFG erzwingen, und zwar entweder durch Anordnung und Festsetzung eines Zwangsgeldes oder durch Anwendung von unmittelbarem Zwang. In diesem Fall wird ein Gerichtsvollzieher beauftragt, das Testament durch Wegnahme vom Besitzer selbst in Besitz zu nehmen, wobei er sich polizeilicher Hilfe bedienen darf.
Rz. 11
Sofern der Aufbewahrungsort, wie z.B. ein Schließfach, eine Wohnung etc., bekannt ist, nicht aber der Besitzer, der den Zugang gewährleistet, sollte das Gericht auf die Anwendung unmittelbaren Zwangs hingewiesen werden, der in diesen Fällen auch angewendet werden kann. Zwangsgeld und unmittelbarer Zwang setzen voraus, dass feststeht, dass der Betroffene wirklich im Besitz des Testaments ist. Weigert sich der mutmaßliche Besitzer, an Eides statt zu versichern, dass er nicht wisse, wo sich das Testament befinde, oder behauptet er, er besitze es nicht (vgl. § 883 Abs. 2 ZPO), kann von Amts wegen Haft angedroht werden, nach Maßgabe der §§ 901, 902, 904, 905, 906, 910 und 913 ZPO. Der Beschluss ist anfechtbar (§ 35 Abs. 5 FamFG). Für das Verfahren der sofortigen Beschwerde gelten die Vorschriften der §§ 567–572 ZPO. Die Auswahl der Maßnahmen steht im pflichtgemäßen Ermessen des Nachlassgerichts.
Rz. 12
Ein Beteiligter kann zwar die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung anregen, darin ist jedoch keine Verpflichtung zu sehen, diese auch durchführen zu müssen. Ferner ist ein Antrag eines Beteiligten auch nicht Voraussetzung für die Durchführung einer Maßnahme. Die eidesstattliche Versicherung muss vor dem Rechtspfleger des Nachlassgerichts nach § 3 Nr. 2 Buchst. c RPflG erfolgen. Befindet sich der mutmaßliche Besitzer im Ausland, können keine Zwangsmaßnahmen durchgeführt werden.
Rz. 13
Die geschilderten Zwangsmaßnahmen nach § 35 FamFG können jedoch nicht gegen eine Behörde, wie z.B. den Bürgermeister, eine Polizeibehörde oder einen Konsularbeamten, erfolgen. Es besteht dann lediglich die Möglichkeit zur Dienstaufsichtsbeschwerde. Gleiches gilt bei einer Weigerung der Ablieferung durch einen Notar, sofern das Testament noch nicht nach § 34 Abs. 1 S. 4 BeurkG in amtliche Verwahrung gebracht wurde.
Rz. 14
Ein Beteiligter kann beim Nachlassgericht Klage auf Herausgabe eines Testaments gegen den mutmaßlichen Besitzer erheben. I.d.R. ist hierzu dem Mandanten aufgrund des erheblichen Beweis- und damit verbundenen Kostenrisikos nicht zu raten, sondern vielmehr zur Anregung von Zwangsmaßnahmen durch das Nachlassgericht, zumal hiermit keine Kosten verbunden sind.
Rz. 15
Vorsorglich sollte begleitend immer eine Strafanzeige bei der zuständigen Staatsanwaltschaft wegen Urkundenunterdrückung gem. § 274 Abs. 1 Nr. 1 StGB gestellt werden. Hierdurch wird die Möglichkeit der Geltendmachung der Erbunwürdigkeit durch Anfechtung gem. § 2340 BGB i.V.m. § 2339 Abs. 1 Nr. 4 BGB eröffnet.
Rz. 16
Liefert der Besitzer eines Dokumentes, das als Testament in Frage kommt, dieses schuldhaft nicht nach § 2259 BGB beim Nachlassgericht ab oder vernichtet er die Urkunde gar, macht er sich schadensersatzpflichtig. § 2259 BGB stellt insoweit ein Schutzgesetz i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB dar.
Rz. 17
Aus Beweisgründen sollte nach Ablieferung des Testaments eine Empfangsbestätigung vom Nachlassgericht beantragt werden.