1. Allgemeines

 

Rz. 7

Fraglich ist daher, ob die als gemeinschaftliches Testament nichtigen Verfügungen zumindest als einseitige letztwillige Verfügungen wirksam aufrechterhalten bleiben können. Diskutiert wird, ob eine Aufrechterhaltung als Einzeltestamente im Wege der Umdeutung nach § 140 BGB möglich ist. Aus § 2265 BGB wurde ursprünglich ein Verbot für Nicht-Ehegatten hergeleitet, gemeinschaftlich ein Testament zu errichten.[7] Aus diesem Grund wurde eine Umdeutung abgelehnt. Hier hat sich jedoch zwischenzeitlich ein Anschauungswechsel vollzogen. So gilt es zwischenzeitlich als gesichert, dass zumindest einseitige Verfügungen, die nicht wechselbezüglich sind, als einseitige letztwillige Verfügungen umgedeutet werden können. Allerdings müssen sie dazu jeweils der Form des § 2247 BGB entsprechen. Dies gilt für privatschriftliche wie auch für öffentliche Urkunden.[8] In dem häufig vorkommenden Fall, dass Nicht-Ehegatten in der ihnen nicht eröffneten Form des § 2267 BGB testiert haben, wird die Aufrechterhaltung im Wege der Umdeutung stets nur für denjenigen möglich sein, der das beabsichtigte gemeinschaftliche Testament eigenhändig niedergelegt hat.[9]

[7] RGZ 87, 33, 34; OLG Neustadt NJW 1958, 1785.
[8] BGH NJW-RR 1987, 1410; BayObLG FamRZ 1993, 1370; OLG Frankfurt FamRZ 1997, 347; OLG Zweibrücken FamRZ 1989, 790; OLG Hamm ZEV 1996, 304; OLG Düsseldorf FamRZ 1997, 518; Soergel/Wolf, § 2265 Rn 5.
[9] Vgl. hierzu Palandt/Weidlich, § 2265 Rn 3; Bamberger/Roth/Litzenburger, § 2265 Rn 14.

2. Aufrechterhaltung von wechselbezüglichen Verfügungen

 

Rz. 8

Umstritten ist, ob auch wechselbezügliche Verfügungen in gemeinschaftlichen Testamenten von Nicht-Ehegatten aufrechterhalten werden können.[10] Grundvoraussetzung für eine Aufrechterhaltung ist zunächst auch hier, dass die jeweilige letztwillige Verfügung formgerecht erklärt wurde. Sodann ist danach zu differenzieren, ob es sich lediglich um wechselbezügliche Verfügungen handelt, in denen sich die Nicht-Ehegatten gegenseitig bedacht haben, oder ob auch Dritte bedacht werden sollten. Im ersteren Fall wird regelmäßig eine Umdeutung nach § 140 BGB möglich sein.[11] In den Fällen, in denen beide letztwillige Verfügungen formwirksam erklärt wurden, kann unproblematisch davon ausgegangen werden, dass die beteiligten Nicht-Ehegatten den jeweils anderen in Einzeltestamenten bedacht hätten, wenn sie von der Unwirksamkeit des gemeinschaftlichen Testaments gewusst hätten.

[10] Dagegen: RGZ 87, 33; KG Rpfleger 1969, 93; OLG Hamm FGPrax 1996, 192; KG NJW 1969, 798; OLG Zweibrücken FamRZ 1989, 790; Lutter, FamRZ 1959, 253; dafür: Staudinger/Kanzleiter, § 2265 Rn 8, 11 ff.; KG NJW 1972, 2133; OLG Frankfurt MDR 1976, 667; OLG Braunschweig NJW-RR 2005, 1027; Soergel/Wolf, § 2265 Rn 5.
[11] Staudinger/Kanzleiter, § 2265 Rn 12.

3. Formgültige Errichtung einer Verfügung

 

Rz. 9

Aber auch für den Fall, dass lediglich eine der beiden Verfügungen der Nicht-Ehegatten formwirksam erklärt wurde, kann selbige aufrechterhalten werden. Solange hier nicht festgestellt werden kann, dass die wirksame Verfügung nur und gerade für den Fall getroffen wurde, dass auch die Verfügung des anderen wirksam ist, spricht alles für eine Aufrechterhaltung der wirksam erklärten Verfügung. Da auch in den Fällen, in denen sich Ehegatten gegenseitig bedenken, nur eine der beiden Verfügungen, nämlich die des Vorversterbenden, Wirkung entfaltet, kann deren Wirksamkeit erhalten werden.[12] Liegt dem Testierenden mutmaßlich mehr an der Verwirklichung seiner letztwilligen Verfügung als an der Nichtigkeit derselben, so spricht dies für eine Wirksamkeit durch Umdeutung.[13]

[12] BayObLG Rpfleger 2001, 425; Staudinger/Kanzleiter, § 2265 Rn 12.
[13] Diesen Gedanken vertritt Erman/Schmidt, § 2265 Rn 2 m.w.N.

4. Bedenken eines Dritten

 

Rz. 10

Wird die letztmalige Verfügung des einen Nicht-Ehegatten nur getroffen, damit als Gegenleistung der andere eine dritte, ihm nahestehende Person bedenkt, so wird vorgeschlagen, auch hier eine Umdeutung in ein einseitiges Testament zuzulassen, welches unter der Bedingung steht, dass der letztbegünstigte Dritte das ihm Zugewendete auch tatsächlich erhält.[14] U.U. kommt hier auch die Umdeutung in eine Vor- und Nacherbschaft in Betracht.[15] Zu beachten ist, dass immer sämtliche Umstände des Einzelfalls zur Auslegung heranzuziehen sind. Dabei mag dann auch berücksichtigt werden, dass es dem Erblasser im Zweifel lieber sein wird, nicht bindend, einseitig verfügt zu haben, als dass der Fiskus erben sollte.[16] Die vorgenannten Grundsätze gelten auch und gerade, wenn nur eine der als wechselbezüglich gedachten Verfügungen formgültig errichtet wurde.[17]

[14] Staudinger/Kanzleiter, § 2265 Rn 13.
[16] OLG Frankfurt FamRZ 1989, 347.
[17] Mayer, in: Reimann/Bengel/Mayer, § 2265 Rn 13.

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