Rz. 22
Wird, wie im Regelfall, nur eine Beurkundungsverhandlung zur Errichtung des gemeinschaftlichen Testaments durchgeführt, so sind Form- und Verfahrensvorschriften, deren Voraussetzungen nur in der Person eines Ehegatten erfüllt sind, grundsätzlich auch auf den anderen Ehegatten und die Beurkundung seiner Erklärung anzuwenden. Dies wird als Grundsatz der ärgeren Hand bezeichnet. Bei Minderjährigkeit eines Ehegatten kann dieser nach § 2233 Abs. 1 BGB sein Testament nur durch mündliche Erklärung oder durch Übergabe einer offenen Schrift errichten. Dies muss dann auch für den anderen Ehegatten gelten, da ansonsten der Notar seiner Belehrungspflicht nach §§ 17, 30 BeurkG gegenüber dem Minderjährigen nicht nachkommen könnte. Hier muss zum Zeitpunkt der Errichtung der Verfügung des Minderjährigen die korrespondierende Verfügung des anderen Ehegatten, sei es dass diese vor demselben oder vor einem anderen Notar errichtet wurde oder gleichzeitig errichtet wird, in der Form des § 2233 Abs. 1 BGB vorliegen.
Rz. 23
Vermag der Erblasser Geschriebenes nicht zu lesen, so steht ihm für die Testamentserrichtung nur die Form der mündlichen Erklärung nach § 2233 Abs. 2 BGB zur Verfügung. Hier ist umstritten, ob auch der andere Ehegatte sich dieser Form bedienen muss.
Rz. 24
Aufgrund der Neufassung des § 22 Abs. 1 S. 2 BeurkG ist mit Wirkung zum 1.8.2002 die Vorschrift des § 2233 Abs. 3 BGB entfallen. Die Erklärung des letzten Willens ist nunmehr in jeder beurkundungsrechtlich zulässigen Form möglich, insbesondere auch durch Gebärden oder Mithilfe eines Gebärdensprachdolmetschers.
Ein stummer Ehegatte konnte nach alter Rechtslage bis zum 31.7.2001 sein öffentliches Testament nur durch Übergabe einer Schrift errichten, § 2233 Abs. 3 BGB. Diese Schrift konnte offen oder verschlossen sein. Vorauszusetzen war nur, dass der andere Ehegatte den Inhalt der verschlossenen Schrift kannte und diesen ausdrücklich erklärte. Für die Verfügung des anderen Ehegatten wurde nach h.M. eine Testierung durch mündliche Erklärung oder durch Übergabe einer Schrift zugelassen.
Rz. 25
Bei Errichtung eines gemeinschaftlichen Testaments in öffentlicher Form in getrennten Verhandlungen ist darüber hinaus erforderlich, dass beide Ehegatten zum Zeitpunkt der späteren Beurkundungsverhandlung noch leben. Im Übrigen gelten die Vorschriften des BeurkG, d.h., auch hier müssen beide Testierenden anwesend sein, sich beide vor dem Notar erklären, beide die Niederschrift genehmigen und sie unterzeichnen (§§ 9 Abs. 1 Nr. 2 u. 13 Abs. 1 BeurkG).