I. Allgemeines
Rz. 12
Abs. 2 regelt Ausnahmen von der Folge der Unwirksamkeit. Dies gilt allerdings nicht für die Fälle der Nichtigkeit der Ehe nach den bis zum 1.7.1998 geltenden Vorschriften des § 23 EheG (Übergangsvorschrift in Art. 226 EGBGB). In diesen Fällen ist das gemeinschaftliche Testament stets unwirksam. Hier kommt aber für die Anordnungen, die einen Dritten begünstigen und keinen Bezug zur Ehe haben, eine Umdeutung in Einzeltestamente nach § 140 BGB in Betracht.
II. Keine dispositive Norm
Rz. 13
Abs. 2 enthält nach richtiger Ansicht eine Auslegungsregel und keine dispositive Norm. Ermittelt werden muss nämlich über Abs. 2 durch Auslegung (§§ 133, 2084 BGB) entweder der tatsächliche oder der mutmaßliche (hypothetische) Wille der Ehepartner zum Zeitpunkt der Errichtung des gemeinschaftlichen Testaments, soweit wechselbezügliche Verfügungen getroffen worden sind. Dabei kommt es nicht auf den Willen alleine des Erblassers an, um dessen Verfügungen es geht. Stets ist zu prüfen, ob bei der betreffenden Verfügung, die Bestandteil eines gemeinschaftlichen Testaments ist, ein nach dem Verhalten eines Ehegatten mögliches Auslegungsergebnis auch dem Willen des anderen Ehegatten entsprochen hat. Dabei ist auf den Zeitpunkt der Testamentserrichtung als maßgeblichen Zeitpunkt abzustellen.
III. Nicht wechselbezügliche Verfügungen
Rz. 14
Soweit nicht wechselbezügliche Verfügungen betroffen sind, kommt es auf den wirklichen oder hypothetischen Aufrechterhaltungswillen des jeweiligen Verfügenden zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung an. Liegen keine Anhaltspunkte für die Ermittlung des tatsächlichen Willens zum Zeitpunkt der Testierung vor, so muss aufgrund der Umstände des Einzelfalls der hypothetische Erblasserwille ermittelt werden. Wie auch sonst können dabei Tatsachen, die erst nach Errichtung des gemeinschaftlichen Testaments eingetreten sind, nur als Indizien für den wirklichen oder hypothetischen Erblasserwillen im Zeitpunkt der Testamentserrichtung berücksichtigt werden. Lässt sich bei dem einen Ehegatten auf diese Art und Weise ein Aufrechterhaltungswille feststellen, bei dem anderen hingegen nicht, jeweils hinsichtlich bestimmter Verfügungen, die nicht wechselbezüglich sind, so ist daher die Verfügung des einen Ehegatten wirksam, die des anderen unwirksam. Wenn dem Aufrechterhaltungswillen mehrere Überlegungen zugrunde lagen, muss auszuschließen sein, dass die Erwartung, die Ehe werde fortbestehen, sich neben den anderen Gründen als wesentlich mitbestimmend für die Entscheidung der Aufrechterhaltung ausgewirkt hat.
IV. Wechselbezügliche Verfügungen
Rz. 15
Bei Wechselbezüglichkeit der Verfügungen liegt i.d.R. ein starkes Indiz gegen den Aufrechterhaltungswillen vor. Auch hier sind jedoch Fälle denkbar, in denen ein Aufrechterhaltungswille bejaht werden kann. Dies ist etwa dann der Fall, wenn gemeinsame Kinder bereits nach dem Erstverstorbenen als Erben eingesetzt sind. Bei der Bedenkung nicht gemeinsamer, sondern eigener Abkömmlinge nur eines Erblassers wird man einen solchen Aufrechterhaltungswillen aber nicht konstruieren können. Werden nach Abs. 2 wechselbezügliche Verfügungen weiterhin als wirksam betrachtet, stellt sich die Frage, ob diese auch nach der Eheauflösung als wechselbezüglich i.S.d. §§ 2270, 2271 BGB anzusehen sind.
Rz. 16
Hier wird vertreten, dass mit der Auflösung der Ehe zwangsläufig die Wechselbezüglichkeit der Verfügungen entfällt; diese sollen danach frei widerruflich sein. Eine über die Auflösung der Ehe hinausbestehende Bindung könne nur in einem Erbvertrag vereinbart werden.
Rz. 17
Insbesondere das BayObLG geht in seiner Rspr. von einer Fortgeltung auch der Wechselbezüglichkeit aus. Das Gesetz enthält zu dieser Frage jedenfalls keine Regelung. Dies spricht eher für die prinzipielle Möglichkeit, die Wechselbezüglichkeit der Verfügungen auch nach Ehescheidung zu bejahen. Es erscheint wenig konsequent, zunächst bei der Feststellung des Aufrechterhaltungswillens nach § 2268 BGB zu einer Fortgeltung der wechselbezüglichen Verfügung zu gelangen, in dieser an sich ungewöhnlichen und vom Regelfall abweichenden Konstellation dann aber auf jeden Fall die ...