a) Allgemeines
Rz. 7
Der Auslegungsregel des Abs. 1 liegt die Erfahrung zugrunde, dass die Ehegatten im Regelfall ihren Nachlass gem. der sog. Einheitslösung regeln wollen. Abs. 1 gibt das Grundmodell der gesetzlich als Regelfall favorisierten Einheitslösung wieder. Kennzeichnend dafür ist die Anordnung einer Voll- und Schlusserbfolge. Zunächst setzen sich die Ehegatten gegenseitig zu alleinigen Vollerben ein. Der jeweils überlebende Ehegatte soll kein Vorerbe sein (§§ 2100 ff. BGB) und nicht den Beschränkungen eines Vorerben nach §§ 2112–2135 BGB unterliegen. Damit gelangt der gesamte Nachlass des Erstversterbenden in das Vermögen des überlebenden Ehegatten. Für den Fall des Versterbens des überlebenden Ehegatten wird sodann eine Schlusserbeneinsetzung vorgenommen. Für die vorstehend beschriebene Art der Regelung der Nachfolge hat sich der Ausdruck "Berliner Testament" eingebürgert. Der Schlusserbe ist nur der Erbe des überlebenden Ehegatten. Wurde ein Abkömmling nur als Schlusserbe eingesetzt, so bedeutet dies seine Enterbung nach dem zuerst Verstorbenen. Für den Schlusserben entsteht mit dem ersten Erbfall im Gegensatz zu seiner Einsetzung als Nacherbe (dann § 2108 Abs. 2 BGB) noch kein vererblicher Voranfall. Ob ihm ein Anwartschaftsrecht anfällt, ist umstritten, jedenfalls kann er darüber nicht verfügen, § 311b Abs. 4 BGB. Jedenfalls ist er aber zur Erhebung einer Feststellungsklage befugt, falls der überlebende Ehegatte entgegen einer bindenden Schlusserbeneinsetzung abweichend letztwillig verfügt oder das Testament anficht.
b) Ersatzerben
Rz. 8
Über diesen in Abs. 1 niedergelegten Inhalt hinaus ist es sinnvoll, bei der Wahl der Einheitslösung eine ausdrückliche Ersatzerbenbestimmung zu treffen. Grund hierfür ist eine fehlende ausdrückliche gesetzliche Bestimmung, dass bei der Einheitslösung die Schlusserben gleichzeitig als Ersatzerben nach dem Erstversterbenden anzusehen sind. Dies wird relevant, wenn der überlebende Ehegatte die Erbschaft ausschlagen sollte oder dessen Erbeinsetzung wegen Anfechtung, Zuwendungsverzicht oder Erbunwürdigkeit in Wegfall gerät. Zwar behilft man sich in diesen Fällen damit, dass man den Ehegatten einen mutmaßlichen oder zumindest hypothetischen Willen dahingehend unterstellt, dass das Vermögen des Erstversterbenden nicht an potentielle andere gesetzliche Erben des Erstversterbenden fallen soll, sondern sofort an die testamentarisch eingesetzten Schlusserben. Hier sollte man jedoch den sicheren Weg der ausdrücklichen Bestimmung der Ersatzerben im Testament gehen. Eine solche Ersatzerbeneinsetzung kann auch auf bestimmte Wegfallgründe beschränkt sein.
c) Überlebender Ehegatte schlägt aus
Rz. 9
Schlägt der überlebende Ehegatte nach § 2271 Abs. 2 S. 1 Hs. 2 BGB das ihm vom Erstversterbenden Zugewendete aus, so hätte dies nach § 2270 Abs. 1 BGB bei wörtlicher Anwendung die Unwirksamkeit der wechselbezüglichen Ersatzerbeinsetzung zur Folge. Da dieses Ergebnis regelmäßig vom Erstversterbenden nicht gewollt sein wird, wird man hier durch Ergänzung der Auslegung i.d.R. zum Fortbestand der Ersatzerbenregelung gelangen können. Der Erstversterbende wird regelmäßig für diese Fälle eine Beschränkung der Wechselbezüglichkeit gewollt haben.
d) Wirkungsweise der Einheitslösung
Rz. 10
Die Einheitslösung bewirkt damit zweierlei: Zum einen ist der überlebende Ehegatte als Vollerbe (im Gegensatz zum Vorerben oder Nießbrauchberechtigten) voll und unbeschränkt zu Verfügungen über den Nachlass berechtigt. Die Vorstellung von einem gemeinsamen Ehegattenvermögen wird hier am konsequentesten in die Wirklichkeit umgesetzt. Zum anderen wird durch die Schlusserbeneinsetzung sichergestellt, dass die gemeinsamen Abkömmlinge oder den Erblassern nahestehende Dritte in den Genuss des verbleibenden Nachlasses des Letztversterbenden gelangen, der wirtschaftlich dann auch den Nachlass des Erstversterbenden, soweit nicht verbraucht, umfasst.