a) Allgemeines

 

Rz. 11

Bei der Trennungslösung setzen sich die Ehegatten für den ersten Erbfall gegenseitig jeweils zu Vorerben ein. Sodann wird für den Nacherbfall, der zumeist auf den Tod des längerlebenden Ehegatten gelegt wird, ein Nacherbe bestimmt. Da damit lediglich das Schicksal des Nachlasses des erstversterbenden Ehegatten geregelt worden ist, ist es darüber hinaus unerlässlich, die Erbfolge in den Nachlass des Längerlebenden zu regeln. Dies wird häufig vergessen. Damit fehlt es hinsichtlich des Nachlasses des Längerlebenden an einer ausreichenden Erbeinsetzung. Denn in diesen Fällen wurde vom Überlebenden nur für den nicht eingetretenen Fall seines Vorversterbens eine Regelung getroffen. Diese Regelung ist aber unwirksam geworden mit dem Vorversterben des anderen Ehegatten (§ 1923 Abs. 1 BGB). Dies führt dann auch zum Wegfall der Nacherbeneinsetzung des Dritten.[27] Für solche Fälle hat die neuere Rspr. im Wege der Auslegung eine Lösungsmöglichkeit entwickelt: Lässt sich feststellen, dass ein Nacherbe bei Wegfall des Vorerben als dessen Ersatzerbe den Nachlass des Längerlebenden bekommen solle, so ist der Ersatzerbe Vollerbe des Letztverstorbenen.[28] Lässt sich dies nicht durch Auslegung feststellen, so kommt die Regelung des § 2102 Abs. 1 BGB zur Anwendung:[29] Der Dritte, der als Nacherbe des Nachlasses des Erstversterbenden eingesetzt ist, soll danach in Anwendung der Auslegungsregel des § 2102 Abs. 1 BGB darüber hinaus Ersatzerbe und damit auch Schlusserbe des Nachlasses des Längerlebenden sein. Stets sei die Einsetzung zum Nacherben an die Bedingung geknüpft, dass der Vorerbe den Erblasser überlebt.[30] Diese im Wege der Auslegung angenommene Ersatzerbenbestimmung ist als wechselbezüglich anzusehen, wenn auch die durch das Vorversterben entfallene Nacherbenbestimmung des überlebenden Ehegatten wechselbezüglich war.[31]

[27] Mayer, in: Reimann/Bengel/Mayer, § 2269 Rn 34.
[30] BGH FamRZ 1987, 475, 476; BGH ZEV 1999, 26; KG NJW-RR 1987, 451; OLG Hamburg FGPrax 1999, 225 = ZEV 2000, 103, LS; OLG Hamm NJW-RR 1993, 1225 = JZ 1994, 628 m. Anm. Muscheler; OLG Köln ZEV 2000, 232, 233; OLG Jena FamRZ 1994, 1208; OLG Oldenburg FamRZ 1999, 1537; OLG Hamm FamRZ 2002, 201, 202.
[31] Lange/Kuchinke, § 24 IV, 1f.; Mayer, in: Reimann/Bengel/Mayer, § 2269 Rn 34.

b) Mehrere Berufungsgründe

 

Rz. 12

Bei der Trennungserlösung erhält somit der Dritte, wenn er auch Schlusserbe nach dem Längerlebenden werden soll, den Nachlass der beiden Ehegatten aus zwei verschiedenen Berufungsgründen: Hinsichtlich des Nachlasses des erstversterbenden Ehegatten ist er Nacherbe, hinsichtlich des Nachlasses des überlebenden Ehegatten ist er Vollerbe (im Gegensatz zum Vorerben) und gleichzeitig Ersatzerbe für den erstverstorbenen Ehegatten. Da hier zwei verschiedene Berufungsgründe vorliegen, kann auch jeweils getrennt eine Ausschlagung erfolgen.[32]

[32] OLG Jena FamRZ 1994, 1208.

c) Beschränkung des Überlebenden

 

Rz. 13

Die Regelung der Rechtsnachfolge nach dem ersten Erbfall über eine Vorerbschaft/Nacherbschaft führt zu einer Beschränkung des längerlebenden Ehegatten. Ob der überlebende Ehegatte befreiter oder nicht befreiter Vorerbe ist, ist erforderlichenfalls durch Auslegung zu klären. Auf eine entsprechende Festlegung sollte bei Abfassung des Testaments besonderes Augenmerk gelegt werden. Der Nacherbe hat bereits während der Zeit der Vorerbschaft ein Anwartschaftsrecht. Die Möglichkeit einer anderweitigen letztwilligen Verfügung über den Nachlass des Erstversterbenden ist dem überlebenden Ehegatten versperrt.[33] Dieses Anwartschaftsrecht ist vererblich und veräußerlich. Es bezieht sich nur auf den Nachlass des erstverstorbenen Ehegatten. Hinsichtlich des Vermögens des Überlebenden hat der Dritte keine weitergehenden Rechte als ein Schlusserbe bei der Einheitslösung. Schlägt der überlebende Ehegatte die Vorerbschaft nach § 1953 BGB aus oder wird er für erbunwürdig erklärt nach § 2344 BGB, so tritt der zum Nacherben berufene Dritte kraft Gesetzes an seine Stelle gem. § 2102 BGB.[34]

[33] Vgl. Staudinger/Kanzleiter, § 2269 Rn 61; MüKo/Musielak, § 2269 Rn 42.
[34] KG FamRZ 1987, 413 = NJW-RR 1987, 451; MüKo/Musielak, § 2269 Rn 42; Staudinger/Kanzleiter, § 2269 Rn 21.

d) Gestaltungsspielraum

 

Rz. 14

Mit der Anordnung der Vor-/Nacherbschaft ist über den Tod des Erstversterbenden hinaus eine stärkere Kontrolle des Längerlebenden zu erreichen. Über einen gezielten Umgang mit den dispositiven Gesetzesbestimmungen zur Befreiung von den Beschränkungen des Vorerben können hier individuelle Gestaltungen erarbeitet werden. Sowohl die Einsetzung des Nacherben als auch die Einsetzung des Dritten kann wechselbezüglich gestaltet werden, wodurch eine Bindung des überlebenden Ehegatten ebenso erreicht werden kann wie bei der Einheitslösung.[35] In dem gemeinschaftlichen Testament kann jedoch auch bei der Trennungslösung dem Überlebenden das Recht e...

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