Rz. 50
Je nachdem, ob das gemeinschaftliche Testament die Trennungslösung oder die Einheitslösung anwendet, ist hinsichtlich der Rechtsstellung der Beteiligten zu unterscheiden:
a) Trennungslösung
Rz. 51
Hier ergibt sich durch die Wiederverheiratungsklausel lediglich ein weiterer Fall des ohnehin angeordneten Eintrittes der Nacherbfolge. Dieser ist aufschiebend bedingt an die Wiederheirat geknüpft. Da die Vor-/Nacherbschaft bei der Trennungslösung ohnehin unbedingt angeordnet ist, wird diese durch die zusätzliche Aufnahme einer Wiederverheiratungsklausel nicht zu einer insgesamt bedingten Vor-/Nacherbschaft. Daher ist in dieser Fallkonstellation § 2108 Abs. 2 S. 2 BGB nicht anwendbar. Deswegen geht das Anwartschaftsrecht des Nacherben auf dessen Erben über, wenn der Nacherbe vor dem Nacherbfall versterben sollte. Mangels gegenteiliger Anordnung hat der Vorerbe im Nacherbfall den gesamten Nachlass an die Nacherben herauszugeben. Dies ist aber umstritten. Es wird vertreten, dass der Vorerbe mit Eintritt des Nacherbfalls hinsichtlich seines gesetzlichen Erbteils Vollerbe werde.
b) Einheitslösung
Rz. 52
Die h.M. geht hier davon aus, dass der überlebende Ehegatte eine Doppelstellung einnimmt. Er soll zum einen Vollerbe sein, auflösend bedingt durch die Wiederheirat. Gleichzeitig ist er Vorerbe aufschiebend bedingt durch die Wiederheirat. Eine a.A. geht von einer aufschiebend bedingten Vollerbschaft (nämlich durch den Nichteintritt des Wiederverheiratungsfalls) und einer auflösend bedingten Vor-/Nacherbschaft aus. Eine dritte Meinung verneint generell die Möglichkeit einer Kombination von Vollerbschaft und Vor-/Nacherbschaft. Anzunehmen sei in solchen Fällen stets eine Regelung nach der Trennungslösung. Die Praxis wird sich an der h.M. zu orientieren haben. Diese bietet das passendste konstruktive Kleid für den regelmäßig anzunehmenden Willen der Erblasser: Diese wollen den Überlebenden für gewöhnlich weitestgehende Verfügungsfreiheit einräumen. Liegt keine Wiederheirat vor, was erst in einer logischen Sekunde vor dem Tod des Überlebenden festgestellt werden kann, so war der überlebende Ehegatte von Anfang an Vollerbe. Seine sämtlichen lebzeitigen Verfügungen unterliegen somit nicht den für den Vorerben geltenden Beschränkungen der §§ 2113 ff. BGB. Hatte er jedoch erneut geheiratet, so unterlagen seine Verfügungen bereits vom ersten Erbfall an den für die Vorerbschaft angeordneten Verfügungsbeschränkungen, so dass darüber ein ausreichender Schutz der Nacherben erreicht werden kann. Denn auch der potentielle Vorerbe unterliegt den Beschränkungen der §§ 2113 ff. BGB. Die h.M. geht allerdings mangels gegenteiliger Anordnungen davon aus, dass der Wille der Ehegatten regelmäßig dahin geht, den Überlebenden, soweit gesetzlich möglich, nach § 2136 BGB von den Beschränkungen der §§ 2113 ff. BGB zu befreien.
Rz. 53
Praxistipp
Soll daher der überlebende Ehegatte zum Zweck des Schutzes der Nacherben stärker eingeschränkt werden, so ist dies im Testament explizit zu regeln. Ansonsten wären sämtliche Verfügungen des Vorerben wirksam gegenüber den Nacherben bis auf die unentgeltlichen Verfügungen oder die Verfügungen, die zum Zweck der Erfüllung eines von dem Vorerben erteilen Schenkungsversprechens erfolgen. Nach § 2113 Abs. 2 BGB kann der Vorerbe von diesen Beschränkungen auch nach § 2136 BGB nicht befreit werden.