I. Allgemeines
Rz. 18
Zu einem offenen Auslegungsergebnis hinzukommen müssen folgende Voraussetzungen:
1. Wirksames gemeinschaftliches Testament
Rz. 19
Zunächst muss ein wirksames gemeinschaftliches Testament vorliegen (zu den Wirksamkeitsvoraussetzungen vgl. § 2265 Rdn 11–16). Über § 2280 BGB ist § 2269 BGB auch bei Erbverträgen von Ehegatten oder Lebenspartnern anzuwenden. Keine Voraussetzung für die Anwendung des Abs. 1 ist, dass die in dem Testament enthaltenen Verfügungen wechselbezüglich i.S.d. § 2270 BGB sind. Abs. 1 kann dann nicht angewendet werden, wenn es an der vorausgesetzten Regelung zweier Erbfälle fehlt, weil die Verfügungen eines der beiden Ehegatten aus irgendeinem Grund ungültig sind.
2. Überlebender Ehepartner wird Alleinerbe
Rz. 20
Für den ersten Erbfall muss der überlebende Ehegatte jeweils zum alleinigen Vollerben eingesetzt sein. Ist neben dem Ehegatten noch ein Dritter als Miterbe eingesetzt, so wollten die Ehegatten ihr Vermögen gerade nicht als Einheit erhalten. Abs. 1 setzt dies aber gerade als Grundgedanken voraus. Der Wille der Ehegatten, sich gegenseitig nach dem Tod des Erstversterbenden zu Alleinerben einzusetzen, muss zumindest andeutungsweise im gemeinschaftlichen Testament zum Ausdruck gekommen sein. Ansonsten kann die Auslegungsregel des § 2269 BGB nicht angewendet werden.
3. Einheitliche Betrachtungsweise
Rz. 21
Nicht anzuwenden ist die Auslegungsregel des § 2269 BGB, wenn die Ehegatten ihr Gesamtvermögen nicht als Einheit betrachten. Denn der Vorschrift des § 2269 BGB liegt das Verständnis zugrunde, dass die Ehegatten i.d.R. das Gesamtvermögen als ein gemeinsames Vermögen ansehen. Ist daher für den Tod des Längerlebenden bestimmt, dass das Vermögen im Wege der gegenständlichen Aufteilung getrennt nach dem Vermögen des Mannes und der Frau den jeweiligen Verwandten zufallen soll, so ist zumindest die Auslegungsregel des § 2269 BGB nicht anwendbar. Dies spricht dann eher für die Anordnung einer Vor- und Nacherbfolge.
Rz. 22
Nicht ausgeschlossen ist die Anwendung der Auslegungsregelung des § 2269 BGB, wenn die Ehegatten lediglich für den Fall des Todes des Längerlebenden ihr Gesamtvermögen auf mehrere Personen oder mehrere Personengruppen verteilen, solange dort nur keine Aufteilung nach den Vermögensbestandteilen der Eheleute vorgenommen wird. Insbesondere bei Aufteilung des Gesamtvermögens nach ideellen Bruchteilen (z.B.: Erbeinsetzung zweier Personen als Erben zu je ½) bleibt § 2269 BGB anwendbar.
II. Einsetzung dritter Personen zu Schlusserben
1. Allgemeines
Rz. 23
§ 2269 BGB sieht als weitere Voraussetzung vor, dass die Ehegatten auch die Erbfolge nach dem längerlebenden Ehegatten regeln. Allg. anerkannt ist, dass § 2269 BGB auch dann anwendbar ist, wenn das Vermögen beim zweiten Erbfall an mehrere Dritte verteilt werden soll – wie häufig bei mehreren gemeinschaftlichen Kindern. Der oder die Dritten können als Voll- oder als Vorerben eingesetzt sein. Auch dann greift die Auslegungsregel des Abs. 1 ein. Beim Vorhandensein gemeinschaftlicher Abkömmlinge ist auch ohne eine ausdrückliche Schlusserbeneinsetzung immer zu prüfen, ob sich irgendein Anhaltspunkt im Testament dafür findet, wer den Nachlass nach dem Tod des Überlebenden erhalten soll. So kann eine Schlusserbeneinsetzung der Anordnung im Ehevertrag entnommen werden, dass bei Beendigung einer fortgesetzten Gütergemeinschaft das Vermögen unter den Abkömmlingen geteilt werden soll. Eine Schlusserbeneinsetzung kann auch hinter der Anordnung der Enterbung der gemeinsamen Kinder für den Fall der Geltendmachung des Pflichtteils zu sehen sein. Maßgebend für die Auslegung ist der Wille beider Eheleute bei Testamentserrichtung. Dabei ist zu beachten, dass einem Erblasser gerade das aus rechtlicher Sicht Wichtige als so selbstverständlich erscheint, dass er es neben seinen einzelnen Sonderanordnungen nicht ausdrücklich festhält.