I. Vermögenslosigkeit eines Ehegatten
Rz. 31
Umstritten ist, ob und inwieweit die Tatsache der Vermögenslosigkeit eines der Ehegatten oder der erheblich geringere Wert des Vermögens eines Ehegatten für die Anordnung einer Vor- und Nacherbschaft spricht. Alleine die Vermögenslosigkeit des überlebenden Ehegatten führt nach h.M. im Verhältnis zu dem eingesetzten Schlusserben nicht zur Annahme einer Vor- und Nacherbschaft. Dies führt dazu, dass in den Fällen, in denen die Auslegung zu keinem eindeutigen Ergebnis führt, nach der Auslegungsregel des § 2269 BGB die Einheitslösung Anwendung zu finden hat.
II. Verweisung auf die gesetzliche Erbfolge
Rz. 32
Wird in einem gemeinschaftlichen Testament von den Ehegatten angeordnet, dass ihr Vermögen nach dem Tod des Längerlebenden auf die Verwandten oder gesetzlichen Erben beider Ehegatten übergehen soll, so wird auch hier im Zweifelsfalle die Auslegungsregel des § 2269 BGB Anwendung finden. Demnach geht das Vermögen, das beim zweiten Erbfall noch vorhanden ist, auf die eingesetzten Schlusserben über, ohne dass hier nach getrennten Vermögensmassen des Mannes oder der Frau zu differenzieren wäre. Sind generell die "Verwandten" oder die "gesetzlichen Erben" eingesetzt, so ist gem. der Auslegungsregelung der §§ 2066, 2067 BGB eine Schluss- bzw. Nacherbeinsetzung derjenigen Verwandten oder gesetzlichen Erben des erstverstorbenen Ehegatten anzunehmen, die zur Zeit des zweiten Erbfalls zu seinen gesetzlichen Erben berufen wären. Ist bei mehreren Personen nicht ausdrücklich die Höhe der jeweiligen Erbteile bestimmt, so muss im Wege der Auslegung festgestellt werden, ob die Beteiligten nach Kopfteilen berufen sind gem. § 2291 BGB oder auf die gesetzlichen Erben des Mannes und der Frau jeweils zur Hälfte oder möglicherweise nach dem Verhältnis des Wertes des Vermögens der Ehefrau zu dem des Ehemannes zu verteilen ist. Sind "die Kinder" als Schlusserben eingesetzt, kann bei der gleichzeitigen Verwendung einer Pflichtteilssanktionsklausel angenommen werden, dass nur diejenigen Kinder als Schlusserben eingesetzt sind, denen ein Pflichtteil nach beiden Elternteilen zusteht.
III. Pflichtteilsklauseln als Strafklauseln
1. Allgemeines
Rz. 33
Wurde beim gemeinschaftlichen Testament die sog. Trennungslösung gewählt, sind die Dritten (und hier pflichtteilsrechtlich relevant zumeist die Kinder der Ehegatten) hinsichtlich des Nachlasses des erstversterbenden Ehegatten zum Nacherben eingesetzt. Vorerbe ist zunächst der überlebende Ehegatte. Bei Eintritt des ersten Erbfalls können daher die Nacherben ihren Pflichtteil nur verlangen, wenn sie hinsichtlich der Nacherbfolge die Ausschlagung erklären, § 2306 Abs. 2 BGB. Die Frist zur Ausschlagung beginnt in diesen Fällen erst mit Eintritt des Nacherbfalls. Allerdings läuft die Verjährung des Pflichtteils nach dem Erstversterbenden ab Kenntnis von dessen Tod und der beeinträchtigenden Verfügung. Unproblematisch können die Erblasser hier bestimmen, dass der den Pflichtteil verlangende Nacherbe aus dem Nachlass des Überlebenden (welcher aufgrund der Trennungslösung gerade kein Vermögen des Erstversterbenden enthält) ebenfalls nur den Pflichtteil erhalten soll. Bei der Trennungslösung ist somit hinsichtlich der Pflichtteilsansprüche in beide Richtungen eine angemessene Berücksichtigung der beteiligten Interessen möglich. Der Pflichtteilsberechtigte erhält aus jedem der beiden Nachlässe seinen Pflichtteil, der ihm auch sonst nur unter äußerst erschwerten Umständen entzogen oder beschränkt werden kann. Zugleich wird aufgrund der strikten Trennung der beiden Nachlassmassen verhindert, dass ein sich gegen das Regelungsprogramm des gemeinschaftlichen Testaments verhaltender Pflichtteilsberechtigter auf Kosten der anderen Pflichtteilsberechtigten einen Vorteil erlangt.
2. Einheitslösung
Rz. 34
Bei der sog. Einheitslösung kann das Pflichtteilsrecht zum Störfaktor werden. Sind pflichtteilsberechtigte Personen zu Schlusserben eingesetzt, so können sie beim ersten Erbfall ihren Pflichtteil nach dem erstversterbenden Ehegatten verlangen, ohne dazu einen Erbteil ausschlagen zu müssen. Ein Erbrecht an dem Nachlass des Erstversterbenden steht ihnen nämlich nicht zu. Setzt dann der zweite Erbfall ein, so kann der Schlusserbe, der beim ersten Erbfall den Pflichtteil nach dem erst Versterbenden gefordert hat, dennoch seinen Erbteil nach dem zuletzt Versterbenden geltend machen. In dessen Nachlass werden aber oft Vermögenswerte des Erstverstorbenen enthalten sein, so da...