1. Allgemeines
Rz. 23
§ 2269 BGB sieht als weitere Voraussetzung vor, dass die Ehegatten auch die Erbfolge nach dem längerlebenden Ehegatten regeln. Allg. anerkannt ist, dass § 2269 BGB auch dann anwendbar ist, wenn das Vermögen beim zweiten Erbfall an mehrere Dritte verteilt werden soll – wie häufig bei mehreren gemeinschaftlichen Kindern. Der oder die Dritten können als Voll- oder als Vorerben eingesetzt sein. Auch dann greift die Auslegungsregel des Abs. 1 ein. Beim Vorhandensein gemeinschaftlicher Abkömmlinge ist auch ohne eine ausdrückliche Schlusserbeneinsetzung immer zu prüfen, ob sich irgendein Anhaltspunkt im Testament dafür findet, wer den Nachlass nach dem Tod des Überlebenden erhalten soll. So kann eine Schlusserbeneinsetzung der Anordnung im Ehevertrag entnommen werden, dass bei Beendigung einer fortgesetzten Gütergemeinschaft das Vermögen unter den Abkömmlingen geteilt werden soll. Eine Schlusserbeneinsetzung kann auch hinter der Anordnung der Enterbung der gemeinsamen Kinder für den Fall der Geltendmachung des Pflichtteils zu sehen sein. Maßgebend für die Auslegung ist der Wille beider Eheleute bei Testamentserrichtung. Dabei ist zu beachten, dass einem Erblasser gerade das aus rechtlicher Sicht Wichtige als so selbstverständlich erscheint, dass er es neben seinen einzelnen Sonderanordnungen nicht ausdrücklich festhält.
2. Stillschweigende Bestimmung zum Schlusserben
Rz. 24
Die Schlusserbeneinsetzung braucht dabei nicht ausdrücklich getroffen worden zu sein. Eine solche Schlusserbeneinsetzung kann im Wege der Auslegung insbesondere dann angenommen werden, wenn angeordnet ist, dass ein Kind auch beim zweiten Erbfall nur den Pflichtteil erhalten soll, wenn es ihn beim ersten Erbfall gefordert hat. Dies gilt auch für ein notarielles Testament. Zwar enthält eine solche Klausel zweifellos einen Anhaltspunkt für die Schlusserbeneinsetzung der gemeinsamen nach beiden Ehegatten pflichtteilsberechtigten Abkömmlinge. Dennoch wird zu Recht darauf hingewiesen, dass eine solche Anordnung auch ohne eine Schlusserbeneinsetzung sinnvoll sein kann, wenn die Ehegatten bei der Errichtung eines gemeinschaftlichen Testaments davon ausgehen, dass der überlebende Ehegatte sich bei der nach seinem Tod eintretenden Erbfolge nach der gesetzlichen Erbfolge richten werde, dies aber letztlich der freien Entscheidung des überlebenden Ehegatten überlassen wollen. Der Pflichtteilsklausel soll eine reine Ausschlussfunktion zukommen. Diese soll lediglich enterbend wirken. Letztgenannte Einschränkung vermag aber wohl nur im Ausnahmefall zu überzeugen. Wenn der überlebende Ehegatte ohnehin frei sein soll in seiner Verfügung, so läge es näher, wenn die Ehegatten dies ausdrücklich bestimmen würden. Die Pflichtteilsklausel ist dann nämlich überflüssig. Mangels entgegenstehender Anhaltspunkte wird man in solchen Fällen mit hinreichender Sicherheit zu einer Auslegung gelangen können, die in der Pflichtteilsklausel eine Schlusserbeneinsetzung der gemeinsamen Abkömmlinge findet. Der mit der Pflichtteilsklausel vorgesehene Ausgleich unter den Geschwistern kann nur dann sinnvoll sein, wenn die Kinder auch Erben des Längstlebenden sein sollen. Liegt eine solche Schlusserbeneinsetzung durch die Pflichtteilsklausel vor, so ist diese dann im Zweifel gem. der Auslegungsregel des § 2270 Abs. 2 BGB auch bindend.
Rz. 25
Praxistipp
Sind einseitige Kinder der Eheleute vorhanden, so ist zu beachten, dass die Rspr. im Fall des Überlebens des Stiefelternteils den einseitigen Kindern des Erstversterbenden aufgrund der Formulierung in der Pflichtteilsklausel, dass sie auch im Schlusserbenfall nur den Pflichtteil erhalten sollen, einen Vermächtnisanspruch gewährt hat. In der gestaltenden Beratung ist daher auf eine eindeutige Formulierung zu achten.