1. Allgemeines
Rz. 28
Oft ist in gemeinschaftlichen Testamenten bestimmt, was für den Fall des gleichzeitigen Versterbens der Ehegatten gelten soll. Festzuhalten ist zunächst, dass jemand nur dann erben kann, wenn er den Erblasser zumindest um den Bruchteil einer Sekunde überlebt. Wer daher vor oder gleichzeitig mit dem Erblasser verstirbt, kann weder Erbe noch Vermächtnisnehmer sein. § 2269 BGB kann in diesen Fällen nicht eingreifen, denn es kommt zu keiner Vereinigung des Vermögens beider Ehegatten in der Person eines überlebenden Ehegatten. In der Folge geht daher das Vermögen eines jeden Ehegatten getrennt auf dessen Erben über. Lässt sich nicht beweisen, wer von mehreren Verstorbenen oder für tot erklärten Menschen den oder die anderen überlebt hat, so wird nach § 11 VerschG der gleichzeitige Tod vermutet.
2. Nicht nur für das gleichzeitige Versterben
Rz. 29
Die Bestimmungen zum gleichzeitigen Versterben im Testament der Ehegatten müssen jedoch nicht unbedingt dahingehend verstanden werden, dass die letztwilligen Verfügungen nur für den Fall des absolut gleichzeitigen Versterbens gelten sollen. Aufgrund der Tatsache, dass aus medizinischer Sicht der gleichzeitige Tod kaum jemals nachgewiesen werden kann, werden entsprechende Formulierungen der Erblasser zum gleichzeitigen Versterben im Allg. nicht so eng zu verstehen sein, dass sie lediglich für den Fall des exakt gleichzeitigen Versterbens gelten sollen. Gemeint sein wird damit zumeist vielmehr das kurz aufeinander folgende Versterben beider Ehegatten aufgrund ein und desselben Ereignisses – Verkehrsunfall, Flugzeugabsturz. Man wird daher davon ausgehen müssen, dass selbst die Formulierung des gleichzeitigen Versterbens auslegungsfähig ist und es hier entscheidend auf das subjektive Verständnis der Erblasser ankommen wird. Dies wird von der Rspr. auch angenommen, wenn sich der Tod beider Ehegatten in kurzem zeitlichen Abstand auf verschiedene Todesursachen zurückführen lässt. Ergibt die Regelung im gemeinschaftlichen Testament erst dann einen Sinn, wenn die Regelung für das gleichzeitige Versterben als Erbeinsetzung auch für den Tod des Längerlebenden ausgelegt wird, dann kann in der Formulierung "Sollten wir zugleich versterben" oder in ähnlichen Formulierungen auch eine Regelung einer Schlusserbeneinsetzung für den Tod des Längerlebenden ohne zeitliche Beschränkung gesehen werden. Stets müssen dafür aber die Bestimmungen des Testaments entweder einzeln oder in ihrem Zusammenhang einen entsprechenden Anhaltspunkt aufweisen, so dass der entsprechende Wille der Ehegatten im Testament zumindest angedeutet ist. So hat bspw. das OLG München in einem Beschluss vom 24.10.2013 angenommen, dass die Kombination einer Schlusserbeneinsetzung mit Einräumung einer Abänderungsbefugnis zugunsten des überlebenden Ehegatten bei ausdrücklicher Anordnung der Wechselbezüglichkeit ein Anhaltspunkt für die Annahme sei, dass die Ehegatten den Terminus "für den Fall des gleichzeitigen Versterbens" nicht im Wortsinn, sondern für den Fall des nacheinander Versterbens verwendet haben. Das OLG betont aber gleichzeitig, dass Fälle, in denen eine solche Klausel bei einem Versterben mit erheblichem zeitlichen Abstand angewendet werden kann, die Ausnahme darstellen. Ein Beispiel aus der neueren Rspr. für die Ablehnung einer in dieser Weise ausdehnenden Auslegung bietet eine Entscheidung des OLG Koblenz vom 22.9.2011. Erst recht offen für eine Auslegung ist die Verwendung von Formulierungen wie "im Falle unseres beiderseitigen Ablebens" – "bei unserem gemeinsamen Tod" – "sollte uns beiden ein Unglück zustoßen" – "wenn beiden Ehegatten etwas gemeinsam zustößt und kein Überlebender mehr vorhanden ist" oder "im Fall unseres gemeinsamen Ablebens".